Das Entlastungspaket, was irgendwann im Juli kommt
Da ist sie wieder: Die Hoffnung auf ein bisschen mehr Geld. Und eigentlich sah es Ende Juni auch ganz gut für die Erwerbslosen im Hartz-IV-System aus: Die Bundesregierung will nämlich im Juli mit ihrem erneuten Entlastungspaket von einmalig 200 Euro für diese Menschen einen zusätzlichen finanziellen Handlungsspielraum eröffnen. Extra Geld für „erhöhte Lebenshaltungskosten und pandemiebedingte Ausgaben“. Das steht zumindest auf der Webseite des Bundessozialministeriums, als der zugehörige Regierungsentwurf am 16. März des Jahres verabschiedet wurde. Wirklich?
Ebbe auf dem Konto
Es begann bereits früh am Morgen am letzten Tag im Juni als die Erkenntnis kam, dass bei sehr vielen nur der übliche Hartz-IV-Satz überwiesen wurde. Keine 200 Euro. Die fehlten auf dem Konto. So erging es auch der Alleinerziehenden Nicola Dülk (49), die Mutter von zwei Kindern ist: „Die Enttäuschung war schon sehr groß am 30. Juni.“ Empörung, Enttäuschung und Wut machten sich auf Twitter breit. Und vor allem offene Fragen. Die Frage, was bedeutet die Auszahlung im Juli? Wann beginnt der Juli und wann endet dieser für die Bundesagentur für Arbeit? Im Gespräch zeigte sich Dülk traurig und frustriert: „Einen Tag vorher gab es auf Twitter schon Unterhaltungen darüber, wann das Geld kommt. Einige Leistungsempfänger hatten es wohl schon bekommen. Daher bestand Grund zur Hoffnung, dass die 200 Euro auch bei mir mit den Leistungen ausgezahlt werden.“ Während des Telefonats spüre ich ihr Kopfschütteln und ihre Verzweiflung. Die Ebbe auf ihrem Konto scheint durch die Telefonleitung durchzusickern. Und wir sind erst am Anfang des Monats. Selbst das Entlastungsgesetz verrät nicht viel zum Auszahlungsdatum. Es betitelt lediglich die Einmalzahlung für den Monat Juli in der Überschrift und das Anspruchsberechtigte im Monat Juli Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder Sozialgeld beziehen müssen. Der Unmut auf Twitter wächst inzwischen weiter. Einige rufen ihr Jobcenter an. Dort erhalten sie die Auskunft, dass das Geld im Laufe des Monats ausbezahlt wird. Manche erhalten die Antwort: Ende des Monats, andere wiederum die Antwort: Im September. Das Chaos war perfekt. Das Bundessozialministerium und die Bundesagentur für Arbeit schwiegen währenddessen. Direkte Anfragen über Twitter blieben unbeantwortet. Die Konten der Erwerbslosen auch.
Technische Vorlaufzeiten und formelle Vorgaben brauchen seine Zeit
Die Bundesagentur für Arbeit antwortete auf meine Anfrage, dass die Einmalzahlung in der Regel automatisch gegen Ende des Monats Juli 2022 ausgezahlt werde. Dieses gelte für alle bundesweite Jobcenter, die der Bundesagentur für Arbeit angeschlossen seien. Aufgrund der „technischen Vorlaufzeiten und des Gesetzgebungsverfahrens mit all seinen formellen Vorgaben konnte eine frühere Auszahlung nicht erfolgen“, teilt die Bundesagentur für Arbeit mit. Immerhin. Zielgrade Ende Juli. Dülk und vielen anderen ist damit wohl nicht wirklich geholfen. „Rückwirkend gerechnet müsste es ein Vielfaches sein, um die Mehrkosten durch die Pandemie zu decken. Nimmt man jetzt noch die steigenden Energie- und Lebensmittelkosten durch den Ukrainekrieg dazu, steigt die tatsächlich verbrauchte Summe exorbitant an“, so die alleinerziehende Mutter. Dülk zählt auf: Corona Selbsttests, Masken, Strom und die Mahlzeiten zuhause, statt in der Schule übersteigen die 200 Euro bei weitem. Für sie sei es ein Unterschied, ob sie nur am Wochenende eine warme Mahlzeit koche oder sieben Tage in der Woche. Dülk wünsche sich von der Bundesregierung eine klare Kommunikation und kein Beamtendeutsch. Armutsbetroffene müssen Planungssicherheit haben. „Darauf baue das unfreiwillige Lebensmodell auf und jede Abweichung bringe das fragile Kartenhaus zum Einsturz“, resümiert sie. Ob Einmalzahlungen helfen würden: „Was mir und sicherlich vielen anderen helfen würde, wäre die Erhöhung vom Regelsatz auf mindestens 678 Euro und das ohne Kleinrechnerei“, fordert Dülk. Ich spüre auf der einen Seite ihren Frust, auf der anderen Seite aber auch eine sehr starke positive Ausstrahlung. Eine kämpferische Seite. Eine Seite, die dafür kämpft, dass eine Kindergrundsicherung sofort kommt, dass Einnahmen aus Schülerjobs nicht mehr auf Sozialleistungen angerechnet werden, damit Kinder kein falsches Signal erhalten und sehen, dass Nebenjobs ein Taschengeld extra für sie sein können. Sie kämpft: Für ihre Kinder, für sich und für alle von Armut Betroffenen. Und auf die 200 Euro wartet sie nun bis Ende Juli. Wenn auch mit Frust und dem Wissen, dass demnächst zumindest noch das Kindergeld kommt. Inzwischen hat die Bundesagentur für Arbeit eine Pressemitteilung über die Sonderleistungen herausgegeben sowie auf Twitter mitgeteilt, dass die 200 Euro Ende Juli automatisch ausbezahlt werden.