Links außen - radikal demokratisch und sozial-gerecht
Warum wir linke Außenpolitik radikaler, nicht anders denken müssen.
- Martin Heinlein
"Ich würde euch ja wählen, aber eure Außenpolitik …", ist ein Satz, den jede und jeder, der schon einmal für DIE LINKE an einem Infostand gestanden hat, kennt. Während Außenpolitik die meiste Zeit keine Konjunktur hat, dominiert sie alles, wenn sie relevant wird. Das ergibt sich aus dem Gegenstand der Außenpolitik selbst: entweder sie ist so komplex, dass viele sich kaum trauen eine Meinung zu bilden, oder abschalten. Ganz ehrlich: Wer kennt schon Transnistrien oder weiß über den Krieg in Nigeria Bescheid? - oder sie ist so existentiell, dass sie alles dominiert. Das sehen wir dieser Tage mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Das Leid und der Horror sind so dramatisch, so allumfassend, dass eine klare Sicht auf das Geschehen kaum möglich ist. Zu emotional, zu klar diktiert von Ängsten sind die Debatten. Wie auch nicht im Angesicht eines drohenden Atomkriegs? Im Angesicht von Massakern und Kriegsverbrechen? Im Angesicht eines Russlands, dass unter Putin Angst und Schrecken verbreitet?
Auch deswegen steht die Debatte um die Außenpolitik wieder ganz oben auf der Agenda. Vor allem auch für DIE LINKE. Im Vorfeld des Erfurter Parteitages im Juni und im Angesicht von 4 Prozent in den bundesweiten Umfragen wird die Außenpolitik zum zentralen ideologischen Zankapfel.
Mit Außenpolitik gewinnt man keine Wahlen, aber man verliert sie
Immer wieder gibt in Umfragen ein nicht unerheblicher Teil der Befragten an, dass sie die Außenpolitik der LINKEN für dogmatisch und veraltet halten. Die Forderungen nach NATO-Auflösung unterstützen kaum Wähler:innen, die Auslandseinsätze sehen weniger kritisch als viele von uns glauben - auf den ersten Blick sind viele gegen Auslandseinsätze, aber schon bei einzelnem Nachfragen klappt die Ablehnung schnell in sich zusammen. Einzig das Verbot von Waffenexporten findet breite Zustimmung. Hinzu kommt, dass die Haltungen zur Außenpolitik am Ende für die meisten nicht ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidungen sind, weil sie mehr eine politische Chiffre als wirklich Haltung sind. Das Abstimmungsdesaster zum Abzugseinsatz in Afghanistan hat das eindrücklich gezeigt - und es hat auch gezeigt, dass die Linke ihre eigene Wahrnehmung von Außenpolitik und deren Bedeutung nicht richtig justiert hat und dass sie nicht mit Stimmungen und deren medialer Vermittlung zurechtkommt.
Die Afghanistan-Abstimmung ist exemplarisch, wenn auch anders als die meisten innerhalb der LINKEN denken. Sie markiert überdies einen Shift in der Wahrnehmung von Außenpolitik, dessen Ausmaß wir noch nicht ganz begreifen können. Während der Afghanistan-Krieg, aber auch der Krieg im Irak ganz offensichtlich vom „Feind im eigenen Land“ (in diesem Fall die NATO) geführt wurde, konnte die westliche Linke hier klar und deutlich Position beziehen. Sicherlich wurde sie als Terroristenfreund:in beschimpft, aber das Desaster in Afghanistan hat ja gezeigt, dass DIE LINKE mit ihrer Ablehnung des Einsatzes recht hatte und mit welchen Lügen die Kriege insbesondere seitens der USA angezettelt wurden.
Mit dem Abzug der Amerikaner und der Herrschaftsübernahme der Taliban wurde der Einsatz von Militär zur Evakuierung der Ortskräfte in Afghanistan zu einer heiligen Mission, die es nicht zu kritisieren galt - wie auch - niemand kann gegen Menschen retten sein? Aus einer militärischen Operation wurde eine Rettungsaktion, deren militärisch fragwürdige Tragweite von der LINKEN abermals wegen ihrer internen Konflikte nicht konzentriert kritisiert wurde und werden konnte. Ganz besonders SPD und Grüne haben außerdem gegenüber der LINKEN foul gespielt. Das Mandat zum Einsatz der Bundeswehr zur Evakuierung war schluderig und entsprach am Ende eher einer militärischen Planung aus einem Hollywood-Film als realer Hilfe, es war ein Schauspiel, keine Notwendigkeit, es war eine Inszenierung für den Wahlkampf. Viele Ortskräfte wurden bis heute nicht gerettet, Hunderttausende verhungern, fliehen vor den Taliban oder sterben. Interessieren tut das diejenigen, die der LINKEN vorgeworfen haben, die Menschen im Stich lassen zu wollen, nicht. Die Parteien, die sie stattdessen gewählt haben, erst Recht nicht.
Dennoch war das Verhalten der Linken in diesem Fall unnötig dilettantisch - der (vermutliche) Plan der SPD und der Grünen, DIE LINKE mit diesem Manöver zu schwächen (ein Mandat wäre nicht notwendig gewesen, aber es war klar, dass die Linke aus dieser Abstimmung geschwächt hervorgehen würde) ging vollständig auf.
DIE LINKE erkannte das Stöckchen nicht, agitierte und unterstellte sich gegenseitig das Schlimmste, vertraute sich gegenseitig nicht, ließ all ihrem Selbsthass freien Lauf und war nicht in der Lage, strategisch mit der Abstimmung umzugehen. Stattdessen stand sie als Partei da, die wegen ihrer Dogmen Menschen nicht helfen will und kam dabei rüber wie der Typ, der Leuten kein Kleingeld auf der Straße gibt, weil er es ablehnt, dass es Obdachlose gibt. Leider hilft das den Obdachlosen nicht, das Geld für die Dusche in der Unterkunft zu bekommen.
Gleichzeitig wurde das Dilemma des Pazifismus aufgemacht: Wie eine Welt ohne Waffen schaffen, in der Waffen existieren und mehr werden? Wie diejenigen stoppen, die Waffen einsetzen? Die Linke schafft es regelmäßig nicht souverän, mit diesen Fragen umzugehen. Was auch daran liegt, dass jeder Gedanke der strategischen Kommunikation sofort als Verrat an den Grundsätzen gebrandmarkt wird, was wiederum dem grundlegenden Idealismus in großen Teilen der Partei geschuldet ist, der im Kern jedoch eigentlich die Partei ausmacht. Die Welt ist komplex.
Russlands Weg in den Angriffskrieg war aus linker Sicht offensichtlich, eigentlich
Dass DIE LINKE der NATO zu wenig zugejubelt hat, ist dennoch nicht ihr Problem. Die Kritik an der NATO auch nach ’89 war und ist keine Folklore, sondern bis heute Ausdruck einer grundlegend linken und vor allem auch anti-kolonialen Kritik an der durch die NATO verfestigten westlichen Gesellschaft, die sich auf Kosten der globalen Mehrheit bereichert und überall auf der Welt Rohstoffe und Ressourcen für die eigenen Reihen sichert. Horst Köhler hat das einmal mit gnadenloser Ehrlichkeit offenbart - der auf die Kritik folgende Shitstorm brachte ihn 2010 zum Rücktritt als Bundespräsident. Köhler hatte in einem Interview nach einem Besuch der Bundeswehr in Afghanistan gesagt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig (...), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege." Hinzu kommt, dass die NATO seit ’89 entweder nicht eingegriffen hat (Srebrenica, Ruanda) und damit einen humanistischen Anspruch nicht geltend machen konnte oder die Kriege ab 1999 allesamt mit Lügen und Propaganda begonnen wurden. Dass viele, vor allem ältere Linke sich schwertun, die NATO nicht als die Wurzel der Probleme zu betrachten, ist nachvollziehbar. Dass die NATO kein Zukunftsbündnis ist, ist aber ebenfalls ein no-brainer. Dass die NATO nach dem Angriffskrieg Putins stärker denn je ist und ihre Akzeptanz massiv gesteigert wurde, ebenso.
Als LINKE haben wir seit unserer Gründung ein Sicherheitsbündnis unter Einschluss von Russland gefordert. Es ging immer darum, die NATO zu überwinden für eine globale Ordnung, in der alle Staaten Platz haben und sicherheitspolitisch Gehör finden. Heute ist dieses Bündnis so weit weg wie nie. Aber hätten es Bemühungen für ein derartiges Bündnis nach 2001 gegeben, vielleicht hätte dieser schreckliche Krieg und viele andere Konflikte verhindert werden können. Es ist in Rückschau kaum nachvollziehbar, wieso DIE LINKE diesen Aspekt der Sicherheitspolitik und die notwendige Überwindung der NATO zu Gunsten einer globalen nicht absolut in den Mittelpunkt gestellt hat. Stattdessen wurde sich über Jahre versucht, katholisch zu machen, wer die NATO blöder findet.
Gleichzeitig ist die Entwicklung in Russland hin zu einem autoritären Polizeistaat, der auf dem Weg in ein faschistisches Regime ist, eigentlich aus linker Sicht völlig offensichtlich. Seit fast zwei Jahrzehnten rüstet Russland auf, die Militarisierung durchzieht die ganze Gesellschaft, die Opposition wurde systematisch ausgeschaltet, Gegner:innen des Kremls und kritische Journalist:innen wurden teilweise für alle sichtbar ermordet, Gewalt an Frauen und Queers wurde normalisiert. Gerade die sowjetischen Errungenschaften der Emanzipation wurden rückgängig gemacht. (Etwas, was wir im kompletten post-sowjetischen Raum beobachten können, siehe bspw. die Abtreibungsgesetze in Polen) Gleichzeitig ist die russische Wirtschaft eine durch und durch neoliberale. Russland gehört zu den Ländern mit der größten Spaltung zwischen Arm und Reich.
Eine Gesellschaft mit einem Autokraten an der Spitze, die aufrüstet, Freiheitsrechte einschränkt und deren soziale Spaltung auf einem Hochstand ist, steuert fast zwangsläufig in Kriege. Dass DIE LINKE das nicht so klar benannt hat, ist Ausdruck dessen, dass sie ihre eigenen Grundsätze und Überzeugungen nicht konsequent auf Russland angewandt hat.
Deswegen ist im Übrigen der Widerstand gegen das 100 Milliarden Sondervermögen so zentral: Auf der einen Seite bekommt Aufrüstung Verfassungsrang, auf der anderen Seite gibt es ein Bekenntnis zur Schuldenbremse. Schon jetzt sind Projekte der „Fortschrittskoalition“ wie die Kindergrundsicherung abgesagt. Mit den jetzigen Plänen der Ampel kriegen wir eine Politik der Großen Koalition mit mehr Ausgaben für Rüstung. Das bedeutet mehr Armut, mehr Rüstung und in der Konsequenz mehr Nationalismus und Gewalt. Niemand baut Waffen, um sie nicht zu nutzen.
Auch für Europa droht eine massive Aufrüstung, die am Ende nur den Rüstungsunternehmen in die Hände spielt und die Gesellschaft verroht. Auch die europäischen Außengrenzen dürften in diesem Zuge systematisch hochgerüstet werden. Konkret könnte das auch heißen, dass die sogenannten „Bürgerwehren", die oft Rechtsextreme sind und jetzt schon bspw. in den Wäldern an der polnisch-belorussischen Grenze ihr Unwesen treiben, militärisch ausgestattet werden. Ein absoluter Albtraum.
Wie weiter?
Wir müssen über Außenpolitik sprechen. Das tun wir auch. Und das werden wir weiter tun. Natürlich stehen wir mit dem Angriffskrieg Putins vor den Scherben einer falschen Russland-Politik. Natürlich ist es richtig zu benennen, dass die Rüstungsindustrie an den Waffenlieferungen verdient und Menschen durch diese Waffen sterben. Aber das alles spielt derzeit keine Rolle, denn Putin hat sich außerhalb jeder Logik entschieden, einen Angriffskrieg zu führen. Um ein Bild aus der Psychiatrischen Forensik zu bemühen: Jeder Mörder hat Motive und eine Geschichte, aber er ist trotzdem ein Mörder. Wir müssen schlicht aufpassen, dass wir mit einer rationalen Analyse der Situation nicht massenhaft vermitteln, dass wir einen Mörder entschuldigen würden.
Als LINKE müssen wir uns ernsthaft mit Putins Imperialismus, dem russischen Nationalismus und den Rechtsextremisten in Russland, die seit Jahren auf dem Vormarsch sind, auseinandersetzten. Der Hass auf den Westen ist ein strategisches Element der Politik Putins und die Reminiszenz an den Antifaschismus der Sowjetunion in ihrem historischen Sieg über die Nazis reine Propaganda des Kremls. Putin ist versessen vom Westen, glaubt ihn konsequent mit seinen eigenen Waffen schlagen zu müssen, er hat den Zynismus der westlichen Welt komplett inhaliert und treibt ihn auf eine groteske Art auf die Spitze. Die systematische Destabilisierung der westlichen Welt ist seit Jahren sein Ziel. Die Unterstützung rechtsextremer Parteien fällt in diese Strategie. Dabei ist die extreme Rechte in Russland selbst gestärkt worden.
Nazis müssen auf allen Seiten verurteilt werden. Wir dürfen uns von der öffentlichen Meinung nicht in die Unterstützung von Nazis mobben lassen, weil sie auf der richtigen Seite kämpfen. Der Nationalismus, der sich derzeit Bahn bricht, wird unsere Gesellschaften noch lange beschäftigen. Noch mehr jedoch wird uns die Spur der Verwüstung, die Putins Armee in der Ukraine und auch Europa hinterlässt, noch lange beschäftigen. Kriegstraumata verändern eine Gesellschaft, sie prägen sie, sie wirken sich bis in die kleinste Einheit des Zusammenlebens aus.
Krieg ist oft die letzte Eskalation geopolitischer Verwerfungen. Unsere geopolitische Analyse muss konsistent sein. Wir sollten nicht solidarisch mit Staaten sein, wir müssen solidarisch mit Menschen sein. Vor allem mit jenen Menschen, die sich gegen die willkürliche Macht von Staaten, gegen Zensur, gegen Repressionen und kapitalistische Ausbeutung stellen. Diese Position vertreten wir innenpolitisch und sollte auch außenpolitisch unser Bezugsrahmen sein. Auch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die veröffentlichte Meinung de facto Doppelstandards lebt und der Hinweis auf diese eben wiederum schnell in dem Framing “Diktatorenversteher” mündet. Das bedeutet, dass wir unsere Haltungen so radikal und klar formulieren müssen, dass wir alle repressiven Regime unzweifelhaft gleichartig verurteilen. Und wir müssen begreifen, dass nicht alle Repräsentant:innen der Linken die gleiche Stellung haben in der veröffentlichten Meinung. Es ist nicht unerheblich, wer etwas wann und wie sagt. Das ist die kalte Realität, der wir uns aber als Linke ebenso stellen müssen.
Wenn es um Auslandseinsätze geht oder nun aktuell, Waffenlieferungen oder die Bundeswehr, müssen wir uns deutlich differenzierter mit der Realität beschäftigen. Wir sind zu oft zu holzschnittartig. Aber wir dürfen ebenso nicht den Eindruck erwecken, dass wir unsere Außenpolitik jetzt „anpassen“, damit wir regieren könnten, damit SPD und Grüne uns endlich in ihren Kreis aufnehmen. Ich will niemandem diese Motivation unterstellen, aber der Eindruck ist ebenso da wie auf der anderen Seite der Eindruck entsteht, dass ohne Sinn und Verstand einfach Dogmen wiederholt werden, die nichts mit Raum und Zeit zu tun haben.
Waffenlieferungen zu kritisieren, ist richtig. Auch die grundsätzliche Kritik an Waffen ist weiterhin unbedingt aufrechtzuerhalten. Das ist unpopulär, aber das gehört dazu. Auch hier dürfen keine Doppelstandards gelten: Unpopuläre Meinungen gehören zur Linken, wir dürfen nicht die einen aushalten wollen und die anderen nicht. Da gab es in der Vergangenheit beim Thema Corona und Flucht innerhalb der Partei durchaus Doppelstandards - Beliebtheit in der Bevölkerung darf nicht bei Außenpolitik angeführt und bei Flucht nicht und andersrum.
Bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist ein grundsätzliches Nein richtig, aber trotzdem können wir nicht die Einsätze in Afghanistan oder Mali mit denen in der West-Sahara gleichsetzen.Wenn wir rhetorisch die Differenzierung nicht hinbekommen, dann ist jede Kritik unsererseits mindestens von Unwissenheit geprägt, was schnell peinlich wird. Wir können am Ende immer noch zu dem Ergebnis kommen, dass wir auch den Einsatz in der West-Sahara ablehnen, aber wir müssen uns aufrichtig damit beschäftigt haben und unsere Ablehnung stringent durchargumentiert darlegen.
Ähnliches gilt für die Bundeswehr: Ja, wir sind die Partei gegen die Wehrpflicht. Ja, wir sind gegen Militarisierung und ihre Verharmlosung z. B. durch die Werbung der Bundeswehr, die fälschlich das Bild generiert, das Kriegshandwerk sei ein Beruf wie jeder andere. Aber wir müssen uns auch seriös Gedanken dazu machen, wie die Bundeswehr im Rahmen ihres grundgesetzlichen Auftrags bewegt werden kann bzw. muss. Eine trotzige Dagegen-Haltung vernebelt die Argumente und macht es unmöglich, in Gespräche mit der Bevölkerung zu kommen und konkret unsere Kritik zu artikulieren. Wir müssen uns auch ehrlich machen: Der jetzige Zustand der Bundeswehr ist auch ein Ergebnis der Konzentration auf out-of-area Einsätze, welche die Bundeswehr zu einem neoliberalen Mischling aus Blackwater und einem Start-up hat werden lassen.
Es gilt in der Außenpolitik wie bei allen anderen Themen auch: Wenn wir einfach laut schreien, verändert sich erst mal nichts. Wenn wir immer lauter schreien, verpulvern wir Seriosität und Ernsthaftigkeit und verschwenden Energie in Krawall statt in Konzepte und Strategie.
Nicht zuletzt haben wir als Linke die Option, auch eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie zu fordern - wenn die Landesverteidigung eilt, dann muss das eine Option sein. Dass die Regierung diese Option nicht im Ansatz in Betracht zieht, zeigt, wie einflussreich die Rüstungslobby ist. Als Linke haben wir da Handlungsmöglichkeiten und Chancen.
Europa von unten
Ein großer Komplex ist das Thema Europa und die EU, wobei schon die Debatte zu führen wäre, inwiefern die EU als Außenpolitik gilt, aber ich möchte sie an dieser Stelle mit in den Text aufnehmen. Die EU als imperialistischer Player ist in sich zerstritten, gerade im post-sowjetischen Raum wird sie zuweilen autokratisch und doch demokratisch regiert. Jüngst in Ungarn wurde Orban bestätigt. Ein Austritt aus der EU ist in überwältigenden Teilen ein rechtes Projekt, eine Ablehnung der EU in ihrer Form ist deswegen von links kaum populär zu begründen und in sich zu argumentieren. Das Ergebnis der letzten EU-Wahl hat entsprechend gezeigt, dass DIE LINKE mit einer Sowohl-als-auch-Position kaum eine Chance hat, auch nur ansatzweise durchzudringen. Eine europäische Republik, was immer wieder als Konzept daherkommt innerhalb der LINKEN am Horizont ist in der jetzigen Ausformung abseits der realen Kräfteverhältnisse, auch wenn die Idee schon bei Lenin zu finden ist. Eine Republik hat außerdem das Problem, dass sie droht eine leere Hülle zu werden - da hilft auch nicht, dass wir die EU „anders“ machen wollen, weil das im Zweifel kaum wen interessiert. Die Debatte um eine eigene europäische Armee ist eine Debatte, die noch komplizierter zu führen ist als die Debatte zur Bundeswehr und die wir intensiv und konstruktiv, aber ebenso mit Sachverstand führen müssen. Soweit die Probleme.
Jetzt ein Versuch der Vision: Als Linke müssen wir auf die Menschen in Europa setzen, auf eine Demokratisierung und Sozialisierung, eine Entmachtung der Kommission, ein Ende der gewaltsamen Abschottung und eine gemeinsame Kraft des Europa von unten für die vielen - ein soziales Europa, eine Sozialunion, die alle Länder gerecht integriert, die umverteilt und die die Ausbeutung der nordischen Länder durch liberalisierte Arbeitsmigration unterbindet. Als Linke sollten wir für einen neuen europäischen Vertrag einstehen, einen Vertrag, der demokratisch von den Menschen in Europa gestalten wird, der für eine sozial-ökologische und antimilitaristische EU kämpft, der die Menschenrechte über die Warenfreiheit stellt, der sozialen Ausgleich schafft und der nicht einzelne Länder bevorzugt.
Linke Außenpolitik muss konsequent sein, sie muss konsequenter sein, als sie es bisher war, sie muss ihre grundsätzlichen Haltungen von Emanzipation und Freiheit, von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, von Antimilitarismus leben und das auch konsequent nach außen tragen. Wir müssen also radikaler werden, nicht angepasster. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche LINKE.