Die letzte Chance
- Nils Böhlke, Ulrike Eifler, Jan Richter, Jana Seppelt
Die Linke ist mit 4,9 Prozent nur durch die drei Direktmandate erneut im Bundestag vertreten. Dieses Ergebnis ist ein Debakel. Aber noch kein Grund für Abgesänge auf Die Linke. Wir brauchen jetzt und in den nächsten Monaten keinen lähmenden und destruktiven Stellungskrieg innerhalb der Partei und in dieser Situation sicher auch keinen Kräfte bindenden und Flügelkonflikte anheizenden Prozess für ein neues Parteiprogramm. Wir möchten vielmehr als wichtiger innerparteilicher Zusammenschluss anregen, die Wahl nüchtern auszuwerten und zu analysieren, um daraus vorwärtsweisende Schlussfolgerungen für die weitere Ausrichtung und Praxis der Partei zu ziehen. Hierzu möchten wir mit diesem Text einen Beitrag leisten. Die Bundestagswahl 2021 fand vor dem Hintergrund einer riesigen Verunsicherung statt. Die zahlreichen Krisen ohne jede Lösungsperspektive bedrücken viele Menschen in diesem Land. Diese Unsicherheit in Kombination mit einem Ohnmachtsgefühl führte dazu, dass viele Wähler*innen zur Mitte tendierten, weil diese die Sicherheit des Status quo suggeriert. Die unerwartet guten Ergebnisse der SPD sind vor allem darauf zurückzuführen, dass sich Olaf Scholz gegenüber dem Unions-Kandidaten Armin Laschet als „der bessere Angela-Merkel-Ersatz“ präsentiert hat. Auch die Grünen haben sich mit der Kandidatin Annalena Baerbock eher als „ökologischere Mitte“ denn als wirkliche Alternative dargestellt.
Insbesondere die Corona-Pandemie stellte für Die Linke eine zusätzliche Herausforderung dar. Gleichzeitig zeigte sich in den Nachwahlbefragungen, dass die wichtigste Frage für die Mehrheit der Wähler*innen das Thema soziale Sicherheit war. Dann folgten die Themen Klima/Umwelt sowie Wirtschaft/Arbeit, und erst danach der Umgang mit der Corona-Pandemie. Hinzu kommt das Thema Migration, das vor allem in den vergangenen Jahren die politische Debatte beherrschte. In all diesen Fragen hatte Die Linke nur im Bereich der sozialen Gerechtigkeit eine einheitliche Antwort zu bieten. In allen anderen Fragen waren die Aussagen von Partei und Fraktion widersprüchlich.
Hier zeigt sich ein wesentliches, strukturelles Problem der Partei. Denn zu aktuellen Fragen gibt es keinen gemeinsamen und verbindlichen Modus der Positionsfindung. In den vergangenen Jahren sind alle Konflikte durch Formelkompromisse bereinigt worden, und auch an diese haben sich nicht einmal alle Teile der Partei gehalten. Es ist daher folgerichtig, dass die Nachwahlbefragung lediglich beim Thema der sozialen Gerechtigkeit nennenswerte Kompetenzwerte für Die Linke zeigt. Ebenso folgerichtig ist, dass dieser Wert, der bis zur Europawahl 2019 gestiegen, nun erstmals gesunken ist.
Weg sind die Gewerkschaftsmitglieder
In anderen Fragen konnte sich Die Linke trotz eines guten Programms nicht klar profilieren. Vor dem Hintergrund einer sich weiter polarisierenden Gesellschaft hat dies dazu geführt, dass wir in allen gesellschaftlichen Milieus verloren haben. Wir konnten weder bei den Erwerbslosen und Arbeiter*innen den seit 2009 anhaltenden Trend der Abwanderung von Wähler*innen ins Spektrum der Nichtwähler*innen aufhalten, noch gelang es uns, im Bereich der akademischen Mittelschichten die Wähler*innen, die wir bei der letzten Bundestagswahl überzeugen konnten, dauerhaft zu halten. Besonders bitter: Die gewerkschaftliche Verankerung der Partei hat messbar nachgelassen. Die Linke hat auch unter den Gewerkschaftsmitgliedern sowohl relativ als auch absolut am stärksten von allen Parteien verloren.
Für viele bleibt entweder das Gefühl, dass sich Die Linke zu viel mit Nebensächlichkeiten beschäftigt oder zu wichtigen Themen keine klare Haltung eingenommen hat. Hinzu kommt, dass der Partei nicht zugetraut wird, wirkliche Veränderungen durchzusetzen. Auch wenn dies bei dieser Wahl von den Umfrageinstituten nicht erfragt wurde, war zumindest bei den letzten Wahlen die markanteste Aussage unserer Wähler, dass wir die richtigen Probleme zwar ansprechen, aber nichts zur Lösung beitragen können. Es wurde uns also nicht zugetraut, unsere Forderungen auch durchzusetzen. Obwohl Die Linke einen Mindestlohn von 13 Euro forderte, gingen die Stimmen der Menschen tendenziell an die SPD, deren Mindestlohnforderung sich auf nur zwölf Euro belief, der aber zugetraut wurde, diese Forderung auch durchzusetzen. Das Beispiel zeigt, dass es nicht nur auf die richtigen Forderungen ankommt, sondern auch auf die Durchsetzungsperspektive. Die Schwäche der Linken war, dass sie eine Botschaft, wie sie beispielsweise Bernie Sanders in den USA aussenden konnte, dass es um einen gemeinsamen Kampf gegen die Interessen der wirklich Mächtigen geht, nur unzureichend vermitteln konnte.
Diese mangelnde Durchsetzungsperspektive wurde im Wahlkampf durch eine starke Orientierung auf eine mögliche Rot-Grün-Rote-Regierung zu kompensieren versucht. Weil aber die Spitzen von SPD und Grünen deutlich gemacht haben, dass sie mit der Linken keine gemeinsame Regierung wollen, wirkten diese Versuche wenig mobilisierend. Es ist zweifelsohne richtig, dass sich die überwältigende Mehrheit unserer Wähler*innen eine Rot-Grün-Rote-Regierung wünscht. Deshalb ist eine generelle Ablehnung von Regierungsbeteiligungen auch keine denkbare Option für Die Linke. Der Fokus auf Rot-Grün-Rot führt aber auch dazu, dass wir uns als Partei in eine gewisse Abhängigkeit von SPD und Grünen begeben. Deshalb kommt es hier um so mehr darauf an, SPD und Grünen mit einem eigenständigen Profil auf Augenhöhe zu begegnen. Das ist uns im Wahlkampf nicht gelungen. Auch die Stoßrichtung „Linke oder Lindner“ hat wenig zur eigenen Profilschärfung beigetragen, weil die Menschen sich nicht zwischen der Linken und der FDP, sondern zwischen der Linken, der SPD und den Grünen entscheiden wollten. Im Wahlkampf hat sich somit gezeigt: Der Linken fehlt eine kohärente Erzählung, wie ein Politikwechsel durchgesetzt werden kann.
Innerparteiliche Orientierungslosigkeit
Diese Orientierungslosigkeit drückt sich aus und wird verstärkt durch einen in der Form völlig destruktiven innerparteilichen Streit. Es werden in öffentlichen Debatten eigene Wähler*innengruppen gegeneinander gestellt und zum Teil verunglimpft, es werden interne Dokumente an die Öffentlichkeit durchgesteckt, es werden angebliche Zitate aus vertraulichen Gesprächen an die Springer-Presse weitergegeben, es wird öffentlich zur Nichtwahl der eigenen Landesliste aufgerufen und es werden Ausschlussverfahren gegen Genoss*innen angestrengt, die zuvor durch demokratische Entscheidungen mehrheitlich gewählt wurden. Verfehlungen werden in der Regel ausschließlich als Verfehlungen des anderen Flügels problematisiert. All das schadet der Partei. Ein gemeinsames Eintreten gegen diese Form der Auseinandersetzung wäre notwendig, ist jedoch nicht wahrnehmbar. Wir müssen lernen, den inhaltlichen Streit so zu führen, dass er uns als Partei insgesamt stärkt und nicht nur den einzelnen Flügel oder Zusammenschluss – eine Form der Auseinandersetzung, die wir durchaus von Gewerkschaften und Betriebsräten lernen können.
Die Linke ist aber nicht allein aufgrund der Form der Auseinandersetzungen so schwach, sondern sie streitet sich, weil sie in einigen Punkten zwar in einem Programm eine gemeinsame Perspektive erarbeitet hat, diese aber nicht geschlossen nach außen vertritt. Wir als AG Betrieb & Gewerkschaft versuchen uns aktiv im Sinne der Partei und noch viel wichtiger im Sinne der Interessen der Mehrheit der Bevölkerung einzusetzen und eine gemeinsame Perspektive zu erarbeiten, zu vermitteln und Wege zu finden, diese kollektiv durchzusetzen.
Der Ausgang der Bundestagswahl und die möglichen Politikoptionen zeigen, dass es eine alternative Stimme braucht, die die künftigen Leerstellen füllt. Der Nichteinzug der Linken in den Bundestag wäre auch aus diesem Grund eine Katastrophe gewesen. Deshalb ist der Wahlausgang vor allem ein Warnschuss und muss mit dem gebotenen Ernst diskutiert werden. Völlig zu Recht verweist Janis Ehling in seiner Wahlauswertung auf die historische Bedeutung der aktuellen Situation: „Die kommende Ampel- oder Jamaika-Koalition ist für die Linke eine große, womöglich die letzte, Chance. Die Krisenkosten der Coronakrise werden ebenso wie die Klimawandelfolgekosten mit großer Wahrscheinlichkeit von der kommenden Bundesregierung auf die Mehrheit abgewälzt werden. Auch der anstehende Umbau der Industrie wird auf dem Rücken der Beschäftigten abgeladen werden. Unterdes zeigt sich immer klarer ein Fachkräftemangel in verschiedenen Bereichen, der das Selbstbewusstsein der Beschäftigten durchaus steigern kann. Im Fall von Jamaika muss die Linke die Auseinandersetzungen um unsoziale Massensteuern und -gebühren sowie unzureichenden Klimaschutz nutzen und darin erstarken. Die Option gegen eine sozial lahmende Ampel-Koalition unter einem Kanzler Scholz kann für die Linke ein Konjunkturprogramm sondergleichen sein. Sie kann und muss dann in den nächsten Jahren ihre Funktion als einzige linke Kraft aus der Opposition nutzen und die Regierung vor sich hertreiben – mit und in sozialen Bewegungen, gewerkschaftlich und ökologisch orientiert und von Beschäftigten getragen. Viele weitere Chancen wird sie voraussichtlich nicht mehr bekommen. Umso mehr geht es darum diese zu nutzen.“
In der parteiinternen Debatte über die Folgen des Wahlergebnisses geht es also um das gemeinsame Verständnis, dass es Die Linke in ihrer Gesamtheit braucht. Das muss als erste Lehre aus diesem Wahlkampf mitgenommen werden. Und diese Gemeinsamkeit schließt auch ein, dass wir keine Milieus gegeneinander stellen, sondern die Gemeinsamkeiten betonen und die Unterschiede produktiv nach vorne auflösen.
Wie können wir stärker werden?
Selbstverständlich müssen wir auch außerhalb der linken Szene verständlich sein. Es reicht nicht, sich innerhalb der eigenen Strukturen wohl zu fühlen, auch wenn sie ein Ausgangspunkt für politische Organisierung sein können. Die zehntausenden Haustürgespräche, die von uns in diesem Wahlkampf geführt wurden, müssen auch für die weitere Arbeit genutzt werden. Nur wenn wir vor Ort präsent sind und einen Unterschied machen, werden wir als Bereicherung für die Menschen wahrgenommen.
Wir können aber gleichzeitig nicht nur lokale „Kümmererpartei“ sein. Wir brauchen auch einen kollektiven „Gegnerbezug“. Wir verlautbaren zwar, dass wir uns mit den Mächtigen anlegen würden, aber real tun wir das nur verbal. Wir brauchen die Erzählung und die Organisierung einer kollektiven Erfahrung: Mit uns gemeinsam kann man sich „gegen die da oben“ organisieren, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Dazu gehört, dass wir die parlamentarische Auseinandersetzung mit dem außerparlamentarischen Protest verzahnen müssen.
Die Kampagne für die Enteignung der Deutsche Wohnen in Berlin war beispielgebend für diese Form der Auseinandersetzung. Die Linke war ein Faktor für die Stärkung einer gesellschaftlich breit verankerten Initiative, die die Eigentumsfrage stellte, damit Wohnraum kein Spekulationsobjekt wird, sondern ein Zuhause bleibt. Die Unterstützung des Volksentscheids durch Die Linke auch aus der Regierung heraus half auch auf der rechtlichen Ebene, der Blockadepolitik der SPD wirksam etwas entgegenzusetzen. Das trug zur Glaubwürdigkeit linker Politik bei und hat sicherlich auch an der Wahlurne geholfen. Parlamentarisch wie außerparlamentarisch war das Signal deutlich: Die Linke stand sichtbar an der Seite des Volksentscheids.
Gleichzeitig zeigt der Verlauf der Tarifauseinandersetzung im Bauhauptgewerbe, dass der Kampf um bezahlbaren Wohnraum an verschiedenen Fronten geführt wird. Die seit Juni laufende Tarifrunde ist gescheitert, weil sich die Arbeitgeber weigern, den Beschäftigten eine Wegezeitentschädigung für den Weg zu den immer weiter entfernten Baustellen zu zahlen - und das obwohl die Baubranche derzeit boomt. Wenn die IG BAU jetzt in den Streik tritt, dann muss Die Linke nicht nur an der Seite der Beschäftigten stehen, sondern auch dafür argumentieren, dass der Kampf um bezahlbaren Wohnraum und der Kampf um gute Bezahlung für diejenigen, die tagtäglich auf den Baustellen den Rücken krumm machen, zusammengehören.
Auch der Kampf um eine bessere Personalbemessung in Pflegeheimen und Krankenhäusern hat gezeigt, wie sehr die Auseinandersetzung um bessere Arbeitsbedingungen von der Frage tangiert wird, wie wir leben wollen und was uns die öffentliche Daseinsvorsorge wert ist. Die Linke hat mit dem Aufbau von Pflegebündnissen nicht nur unmittelbare Unterstützung organisiert, sondern auch dazu beigetragen, dass die gesellschaftspolitische Dimension deutlich wurde, die die Frage einer angemessenen Personalbemessung hat. Durch die Unterstützung der Pflegekräfte und die Verknüpfung ihrer Anliegen mit gesellschaftlichen Fragestellungen bekam die relativ abstrakte Forderung nach einer Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge eine konkrete Durchsetzungsperspektive. Hier gilt es zu verstehen, dass sich gesellschaftliche Dynamiken häufig nicht nur von Wahl zu Wahl verändern, sondern einen langen Atem brauchen. Zentral muss die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschen sein.
Gewerkschaftliche Verankerung und erneuertes Profil
Zentraler Fokus muss daher bleiben, abhängig Beschäftigte gezielter anzusprechen, um sie in der Partei zu organisieren und im politischen Raum ihre Perspektive zu stärken. Die Wählerwanderungen zeigen, dass das alles andere als einfach ist. Mit ihrem Versprechen, einen Mindestlohn von zwölf Euro einzuführen oder die Industrie zu erhalten und klimaneutral umzubauen, gelang es der SPD bei den Wahlen, das Image der Partei des sozialen Kahlschlags abzulegen und sich wieder stärker in den Gewerkschaften zu verankern. Es waren jedoch vor allem die Grünen, die mit plus vier Prozentpunkten am stärksten bei Gewerkschaftsmitgliedern zugelegt haben. Die Linke dagegen hat mit 5,2 Prozent am stärksten in dieser Gruppe verloren. Bei den gewerkschaftlichen Frauen waren wir sogar fast 10 Prozentpunkte schlechter als die Grünen und deutlich schwächer als 2017.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Grünen haben in den vergangenen zwei Jahren auf eine stärkere gewerkschaftliche Verankerung gesetzt und sich darum bemüht, als Partei ein Verhältnis zu den Gewerkschaften zu entwickeln. Fest steht, viele Gewerkschaftsmitglieder – junge wie alte – sorgen sich wegen des drohenden Klimawandels. Sie erwarten einen Umbau der Gesellschaft, der sowohl den Schutz der Natur als auch den Erhalt der Arbeitsplätze im Blick hat. Weil aber ohne eine stärkere Besteuerung von Multimillionären und Milliardären eine soziale Klimapolitik nicht zu machen ist, werden Grüne und SPD auf Dauer Schwierigkeiten bekommen, ihre Versprechen einzulösen. Deshalb muss die Schärfung des gewerkschaftlichen Profils der Linken vor allem darin bestehen, die Facetten des sozial-ökologischen Umbaus konkret auszubuchstabieren und mit der Vision für eine Wirtschaftspolitik, die sich an den gesellschaftlichen Bedarfen orientiert und demokratisch legitimiert ist, zu verbinden.
Hinzu kommt, dass die betrieblichen Kämpfe der abhängig Beschäftigten stärker mit außerparlamentarischen Bewegungen zusammengebracht werden müssen. Betrieblichen Auseinandersetzungen einen gesellschaftspolitischen Rückenwind zu geben und soziale Bewegungen zu einer stärkeren Durchsetzungsperspektive zu verhelfen, muss das Ziel sein. Die Linke kann hier eine wichtige Scharnierfunktion ausüben. Dass es ver.di und der Fridays-for-future-Bewegung gelungen ist, gemeinsame Aktionen in der Auseinandersetzung um den Tarifvertrag Nahverkehr zu initiieren, hat auch damit zu tun, dass wir als Partei sowohl innerhalb von ver.di als auch bei FFF verankert sind und die Debatte mit diesem Fokus verstärken konnten. Hinzu kommt: Verdi in NRW hatte sich vorgenommen, tausende Stammtischkämpfer*innen für die Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ auszubilden. Und bei den Streiks bei Amazon finden regelmäßig antirassistische Aktionen statt. Diese „Kollektivierung von Kämpfen“ sollten wir als Partei noch stärker voranbringen und als gemeinsame Perspektive herausstellen.
Dazu braucht es auch eine stärkere Verankerung in den Gewerkschaften. Bislang sind wir zwar in einigen Gewerkschaften vertreten und haben dort auch zum Teil linke Vernetzungen. Trotzdem fehlt uns als Partei eine Struktur und ein Diskussionsraum, der uns hilft, die strategischen Einschätzungen von Partei und Gewerkschaften miteinander zu verzahnen. Das Konzept der BAG Betrieb & Gewerkschaft, das vom Parteivorstand im März 2021 beschlossen wurde, sieht die Gründung von Gewerkschaftsräten auf Bundes- und Landesebene ebenso vor wie einen regelmäßigen Dialog von Partei- und Gewerkschaftsspitzen. Außerdem soll in einem dritten Schritt ein jährlicher Gewerkschaftsratschlag zentrale Fragestellungen der Gewerkschaftsbewegung aufgreifen und aktive Gewerkschafter*Innen in eine gemeinsame Diskussion bringen. Dieser gewerkschaftspolitische Dreiklang ist inzwischen auf der Bundesebene und in einigen Landesverbänden Beschlusslage und kann nun umgesetzt werden.
Unterm Strich bleibt festzustellen: Bei der Bundestagswahl ging es für viele Menschen nicht um die eine oder andere Unzufriedenheit mit dem einen oder anderen Thema, sondern um die ganz große politische Frage: Wohin steuert unsere Gesellschaft? Es kann angesichts der politischen Rahmenbedingungen davon ausgegangen werden, dass der dringend notwendige ökologische Umbau der Gesellschaft zu Lasten der geringen und mittleren Einkommen gehen wird und viele Menschen enttäuscht werden, die jetzt auf ein echtes Umsteuern in Sachen Klimawandel oder soziale Gerechtigkeit hoffen. Die Auswertung der Wahlergebnisse sollten wir daher im Bewusstsein der historischen Situation vornehmen, in der wir uns befinden. In sozialen, ökologischen, friedenspolitischen und demokratischen Entwicklungen steht die Gesellschaft vor irreversiblen Kipppunkten. Die Linke muss zum Pol der Hoffnung werden und zu der politischen Kraft, die den Unterschied macht und das Erreichen der Kipppunkte real verhindern kann.
Jana Seppelt ist stellvertretende Vorsitzende der Partei DIE LINKE und Mitglied im Bundessprecher*innen-Rat der AG Betrieb & Gewerkschaft sowie Gewerkschaftssekretärin bei ver.di.
Jan Richter ist Mitglied im Vorstand der Partei DIE LINKE und Mitglied im Bundessprecher*nnen-Rat der AG Betrieb & Gewerkschaft.
Ulrike Eifler ist stellvertretende Landessprecherin von DIE LINKE in NRW und Mitglied im Bundessprecher*innen-Rat AG Betrieb & Gewerkschaft.
Nils Böhlke ist Mitglied im Landessprecher*innen-Rat AG Betrieb & Gewerkschaft NRW und Gewerkschaftssekretär bei ver.di
(Der Artikel erscheint zunächst in der Wochenzeitung der Freitag.)