Ampelkoalitionsvertrag

Ein klimapolitisches Armutszeugnis

Einschätzung des Koalitionsvertrags aus klimapolitischer Sicht

In der Klimapolitik steht die Ampel nicht auf Grün, sondern auf Gelb.

Der Koalitionsvertrag der Ampel ist aus klimapolitischer Sicht enttäuschend. Zwar fanden einige Leuchttürme, wie der Kohleausstieg 2030 oder der Zuwachs Erneuerbarer Energien bis 2030 auf 80 %, Eingang in den Koalitionsvertrag, aber selbst hier bleibt schleierhaft, wie diese Maßnahmen durchgesetzt werden sollen. Entgegen der vollmundigen Ankündigungen bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags macht sich Deutschland mit der Ampel nicht auf den Weg zu einem 1,5 Grad Pfad, sondern steuert direkt in die Klimakatastrophe.

Insgesamt sind zwar ambitionierte Ziele formuliert, aber durch welche Maßnahmen diese erreicht werden sollen und wie diese finanziert werden sollen, sagt der Koalitionsvertrag nicht. Es scheint fast so, als hoffe die Koalition, dass die Emissionen durch die unsichtbare Zauberhand des Marktes sinken, ohne dass die Politik aktiv werden muss. Dass dieses Vorgehen zum Scheitern verurteilt sein wird, muss allen klar sein.

Zur Bewertung der Maßnahmen im Einzelnen

Energiesektor

Die Ausbauziele für erneuerbarer Energien sind begrüßenswert. Bis 2030 sollen 80 % des Energiebedarfs aus Erneuerbaren Energien stammen. Wie genau dies erreicht werden soll, bleibt allerdings bis auf die von Olaf Scholz bereits im Wahlkampf mantraartig wiederholte Planungs- und Beschleunigungsoffensive offen. Konkretere Ausbauziele für Solar- und Windenergie für die kommenden Jahre fehlen im Koalitionsvertrag. Die Ziele sind weit in die Zukunft verlagert, sodass sich diese Regierung sich stets aus der Verantwortung für schleppenden Ausbau herausreden kann.

Zu begrüßen ist die Solarpflicht auf gewerblichen Neubauten. Jedoch fehlt sie für die privaten Neubauten und ebenso für verpflichtend für Bestandsbauten bei ihrer Sanierung. Ob die unsinnigen Abstandsregelungen für Windkraft durch Bundesrecht gekippt werden sollen, ist im Koalitionsvertrag nicht geregelt.

Beim Kohleausstieg scheint das Datum 2030 zunächst erfreulich. Getrübt wird die Freude jedoch dadurch, dass das Datum mit einem „idealerweise“ versehen ist. Anstatt eines fixen Ausstiegsdatums, das allen Planungssicherheit gibt, wird das Kohle-Aus vom Ausbau der erneuerbaren Energien abhängig gemacht. Wie der frühere Ausstieg sozial abgefedert werden soll, bleibt im Koalitionsvertrag schwammig. Ebenso, wie eine alternative Reindustrialisierung der Kohlereviere aussehen soll.

In Sachen Wasserstoff ist der Koalitionsvertrag eine Mogelpackung. Von grünem Wasserstoff, bis hin zu klimaschädlichem und dreckigem blauen und gelben Wasserstoff lässt der Koalitionsvertrag viele Möglichkeiten offen. Je nachdem, was umgesetzt wird, kann sich dies zu einer klimapolitischen Falle entwickeln.

Der CO₂-Preis bleibt so niedrig, dass er kaum Lenkungswirkung entfaltet und gleichzeitig so hoch, dass er ärmeren Verbraucher*innen maximal schadet. Das Instrument wird damit so ausgestaltet, dass es maximalen Schaden bei minimalem Nutzen anrichtet. Zudem wird der CO₂-Preis auf das Heizen nur zur Hälfte auf die Vermieter*innen umgelegt. Eine Lenkungswirkung ist damit nahezu ausgeschlossen und die Mieter*innen müssen die Zeche für sanierungsfaule Vermieter*innen zahlen.

Verkehr

Der Verkehrsbereich ist der einzige Sektor, in dem seit 1990 keine signifikanten Senkungen der Emissionen erreicht werden konnten. Dieser Weg droht sich auch unter einem neuen FDP-Verkehrsminister fortzusetzen. Anstatt eines Ausbaustopps für Autobahnen wird im Koalitionsvertrag nur von einer Überprüfung der Prioritäten des aktuellen Bundesverkehrswegeplans gesprochen. Selbst wenn dabei einige Projekte gekippt werden, drohen noch immer viele der bisher 800 geplanten Autobahnkilometer bis 2030 neu gebaut zu werden.

In Sachen Bahnverkehr konnte der Supergau der Zerschlagung der Bahn zwar vorerst abgewendet werden, jedoch ist dies auch das einzig positive Zeichen im Koalitionsvertrag. Anstatt der Reaktivierung zahlreicher stillgelegter Bahnstrecken und damit dem Wiederanschluss des ländlichen Raums an den Schienenverkehr wird sich die Investitionspolitik in Sachen Bahn unter der Ampel vornehmlich auf Oberzentren und den Fernverkehr konzentrieren. In Sachen gleichwertige Lebensverhältnisse und eine Flächenbahn ist der Koalitionsvertrag überaus schwach.

Anstatt eines großen Wurfs im öffentlichen Nahverkehr ist der Koalitionsvertrag ein Dokument der Planlosigkeit. Ohne fixe finanzielle Zusagen für Länder und Kommunen und ohne eine konkrete Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum kann die Verkehrswende nicht gelingen.

Noch vor 2035 (dem Datum auf EU-Ebene) sollen nur noch "CO₂-neutrale" Antriebe zugelassen werden. Verbrennungsmotoren sollen nur noch zugelassen werden, wenn sie mit synthetisch erzeugten Kraftstoffen betrieben werden können. Diese Art der Kraftstoffe brauchen enorm viel Strom für ihre Erzeugung, sie sind eine sehr teure Form der Energieverschwendung, die wir uns nicht leisten können. Auch das Datum des Verbots der Neuzulassung ist zu spät, damit fahren noch bis weit in die 2040er Jahre hinein Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren über deutsche Straßen. Anstatt einer Umorientierung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr, haben sich die Ampelkoalitionäre entschieden, dass Deutschland Autoland bleiben soll. Die dringend benötigte Autokorrektur bleibt demnach aus.

Und auch beim Flugverkehr ist der Koalitionsvertrag eine einzige Enttäuschung. Inlandsflüge bleiben weiterhin erlaubt und alle Hoffnungen werden auf das Märchenschloss des CO₂-neutralen Fliegens gelegt. Eine solche Politik ist klimapolitisch verantwortungslos. 

Gebäude und Wärme

Auch hier bleibt der Koalitionsvertrag maximal vage, wie die ambitionierten Ziele eines der Klimaneutralität im Gebäudebestand bis 2045 erreicht werden sollen. Eine Sanierungsquote fehlt im Koalitionsvertrag völlig. Zudem bleibt unklar, wie ein sozialer Ausgleich von Sanierungskosten aussehen soll. Sanierungen dürfen jedoch nicht zu einem Mieterhöhungsinstrument werden. Gelingt es der Ampel nicht, einen wirksamen sozialen Ausgleich zu finden, droht im Bereich der energetischen Sanierung ein soziales Pulverfass zu entstehen.

Wie bereits oben angesprochen ist die hälftige Aufteilung des CO₂-Preises beim Heizen nicht nur klimapolitisch ohne ausreichende Lenkungswirkung, sondern auch sozial ungerecht. Die zu begrüßende Einmalzahlung für erhöhte Heizkosten in diesem Jahr ist weder zeitlich noch in ihrer Höhe genauer beschrieben.

Landwirtschaft

Auch im Landwirtschaftsbereich, der einen signifikanten Anteil der umweltschädlichen Emissionen ausmacht, bleibt der Vertrag an entscheidenden Stellen bewusst schwammig. Beispielsweise findet sich dort nichts zu Futtermittelimporten, die noch immer die Zerstörung von Regenwäldern vorantreiben.

Wirtschaft

Das Kapitel zur Wirtschaft enthält viel Prosa, aber wenig konkrete Vorschläge, wie der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft ausgestaltet werden kann. Eine absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verschmutzung hört sich in der Theorie schön an, ist aber in der Praxis nicht umsetzbar. Gerade in Bezug auf die energieintensiven Industrien wird im Koalitionsvertrag wenig gesagt. Ins Auge fällt, dass die Ampelkoalition davon spricht, „wettbewerbsfähige Strompreise für Industrieunternehmen“ bekommt. Hier ist zu befürchten, dass die schon jetzt milliardenschweren Stromrabatte für energieintensive Industrien erhalten bleiben. Subventioniert werden sie durch die Allgemeinheit. Derartige Maßnahmen lehnen wir aus guten Gründen ab. Auch hinsichtlich der Mammutaufgabe des Umbaus der Automobilindustrie bleibt der Koalitionsvertrag vage. Die Folge könnte sein, dass Transformation weiter verschlafen wird und am Ende auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen wird.

Alles in allem ist der Koalitionsvertrag der Ampel ein klimapolitischer Offenbarungseid, der das Erreichen der Pariser Klimaziele unmöglich macht. Vom ambitionierten Wahlprogramm der Grünen ist nicht viel übrig geblieben. Und dass Olaf Scholz kein Klimakanzler wird, ist schon jetzt klar. Das Verkehrsministerium in den Händen der FDP lässt für den Verkehrssektor nichts Gutes ahnen. Eine starke Klimabewegung und eine konsequent sozial-ökologische Opposition im Bundestag, die an der Seite der Bewegung steht, wird dringender denn je benötigt. Für uns ist die Enttäuschung des Koalitionsvertrags zugleich Auftrag, den Kampf um Klimagerechtigkeit selbst in die Hand zu nehmen.