Abschied und Ankunft
Stefan Heym im Film
Stefan Heym war eine prägende Gestalt des 20. Jahrhunderts. 1913 in eine jüdischen Kaufmannsfamilie in Chemnitz hineingeboren – sein damaliger Name: Helmut Flieg –, entdeckte er früh Talent und Liebe zur Literatur. Noch als Jugendlicher veröffentlichte er das rüstungskritische Gedicht „Exportgeschäfte“ – und schon musste er auf Druck ultrarechter Kreise seine Heimatstadt verlassen. Das Abitur bestand er in Berlin, das Studium erfolgte dann schon zur Hälfte in den USA, erste Bücher und Chefredakteursposten anbei. Da tobte sich in Deutschland bereits der Nationalsozialismus aus, die Familie wurde bedroht und musste auswandern.
Heym publizierte in Deutsch wie in Englisch. Der Roman „Hostages“ brachte es bereits früh zur Verfilmung in Hollywood.
Dem Judenhass in Europa wollte er sich aber ganz praktisch entgegenstellen, er trat der US-Armee bei. „Erstmals zurückfeuern zu können, und das nicht allein, sondern mit vielen anderen“ – das hielt er für äußerst erstrebenswert.
Von der Kommunistenhatz in den fünfziger Jahren der McCarthy-Ära war er erneut bedroht, ausgerechnet in dem Land, in dem er Zuflucht gefunden hatte. Er emigrierte in die Tschechoslowakei, wo er bereits vor dem Krieg gelebt hatte. Aber die Zeiten hatten sich geändert, auch hier fühlte er sich vom aufkommenden Antisemitismus verfolgt. Und so siedelte er in die DDR über.
Gefeiert, gelobt, verboten: Nach dem 11. Plenum der SED 1965, dem eine restriktive Auslegung der Kulturpolitik folgte, konnte er nicht mehr publizieren, wie er wollte, setzte sich konsequent für andere ein, bekam Ärger mit dem Staatsapparat. Erst Jahre später sollte sich das Klima entspannen. 1989, in der Wendezeit, sprach er sich für einen demokratischen Sozialismus aus, wurde in den Bundestag gewählt und dort Alterspräsident. Er hatte für die PDS kandidiert, ohne in der Partei Mitglied zu sein. Bequemer wurde er für seine Gegner nicht, er hielt sich mit Kritik am neuen Kapitalismus bis zu seinem Tod im Jahr 2001 kaum zurück.
Man kann nur sagen: Welch ein Leben. „Stefan Heym – ein großer Humanist. Ein Sozialist. Ein unbequemer Schriftsteller“, so fasst es die Filmemacherin Beate Kunath zusammen. Wie Heym stammt sie aus Chemnitz und hat nun die Filmbiografie „Abschied und Ankunft“ über den großen Künstler gedreht.
Der Anlass: Das Archiv von Stefan und Inge Heym zog 2020 um und wurde samt Originalmobiliar seines Arbeitszimmers die Stefan-und-Inge-Heym-Arbeitsbibliothek im neu eingerichteten Stefan-Heym-Forum in seiner Heimatstadt. Kunath filmte den Umzug beiläufig, er bildet den äußeren Rahmen ihre Dokumentation. Bücher, Zeitdokumente, Schriften und Tagebücher werden gesichtet, der Film enthält viele Interview-Ausschnitte und historische Aufnahmen. Ein ganzes Jahrhundert steht hier zur Disposition.
Die Perspektive ist dabei maßgeblich von Inge Heym bestimmt, der Witwe. Selbst Dramaturgin und Lektorin, gibt sie sachkundige und nicht selten wehmütige Auskunft über ihrer beider Leben. Das Berufliche mischt sich mit dem Weltpolitischen und dann wieder mit dem Privaten: Was dieses Paar erlebt hat, ist nicht nur ein Leben mit der Literatur, sondern auch selbst Kunst. Was sich in diesem Film entwickelt, ist deutscher Antifaschismus als Teil der deutschen Geschichte in anderthalb Stunden. Ein mitreißendes Filmdokument, exzellent geschnitten und wunderbar erzählt.
Seine Berlin-Premiere feiert „Abschied und Ankunft - Die Arbeitsbibliothek von Stefan und Inge Heym“ am 30. November 2021 um 19.30 Uhr im Babylon, Berlin-Mitte, Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178 Berlin (2 G-Regel). Mit Gästen in Anwesenheit der Regisseurin und des Filmteams, moderiert von niemand Geringerem als Schriftstellerin und Journalistin Marion Brasch. Das wird ein interessanter Abend.
„Abschied und Ankunft“. D 2021. R: Beate Kunath.
Kinotermine auf www.b-k-productions.de/projekt/abschied-und-ankunft/