Die 100 reichsten Deutschen (3)
Die Quandts: adelige Fabrikantensöhne und -töchter, deren »Erfolgsgeschichte« eng mit zwei Weltkriegen, dem Nationalsozialismus und der misslungenen »Entnazifizierung« in der BRD verbunden ist.
»Wir haben ein Riesenproblem in Deutschland: Dass wir nie vergessen können.« Diese Worte stammen von Sven Quandt, und was er gerne vergessen machen will, ist die Zeit des Nationalsozialismus. Es ist ja auch lästig, immer wieder daran erinnert zu werden, dass das Milliardenvermögen der eigenen Sippe zu erheblichen Teilen auf dem deutschen Faschismus und dem Zweitem Weltkrieg beruht.
Profiteure des NS
In Teil 3 der Serie zu den reichsten Familienclans Deutschlands geht es um eine Familie, die fast schon "den üblichen Werdegang" superreicher Deutscher nahm: adelige Fabrikantensöhne und -töchter, deren »Erfolgsgeschichte« eng mit zwei Weltkriegen, dem Nationalsozialismus und der misslungenen »Entnazifizierung« in der BRD verbunden ist: Die Quandts – der vermutlich drittreichste Clan der Bundesrepublik.
Allein die beiden Haupterben des Familienimperiums, Susanne Klatten und Stefan Quandt, verfügen dem »Manager Magazin« zufolge über ein Vermögen von etwa 25 Milliarden Euro.
Kohle, Karren und Kriege
Hauptquelle ihres heutigen Reichtums: Die Geschwister besitzen fast die Hälfte der Aktien von BMW. Das brachte ihnen allein im Jahr 2019 eine Dividende von knapp 800 Millionen Euro ein. Und selbstverständlich ist BMW nicht die einzige Firma der Quandts: Hinzu kommen Beteiligungen am Kohlenstoff- und Graphiterzeugnisse-Hersteller SGL Carbon, dem Ölkonzern Avista Oil, dem größten homöopathischen Arzneimittel-Konzern Heel und zahlreichen anderen Unternehmen.
Wie bei den meisten deutschen Milliardären muss man einige Generationen zurückblicken, um dem Ursprung ihres Reichtums auf die Spur zu kommen, denn die Eltern der heute lebenden Quandts und auch ihre Großeltern kamen bereits mit einem goldenen Löffel im Munde zur Welt.
Ihr Urgroßvater Emil Quandt war durch Heirat mit einer Fabrikantentocher zu Geld gekommen. 1883 übernahm er den Betrieb ihres Vaters: eine Tuchfabrik, die schon damals vor allem für das Militär produzierte. Seinen Sohn Günther Quandt lernte er bereits in jungen Jahren in die Führung des Konzerns ein und dank glücklicher Umstände für die Familie – dem Ersten Weltkrieg – konnte das Unternehmen unter dessen Leitung rasch expandieren.
Zur Zeit von Faschismus und Zweitem Weltkrieg war der Familienkonzern nicht mehr nur in der Textilindustrie tätig, sondern auch im Bergbau, der Elektroindustrie sowie der Waffen- und Munitionsindustrie.
Stramme Antikommunisten
Wie es sich für reiche Industrielle gehört, waren Günther Quandt und sein Sohn Herbert stramme Antikommunisten. Da wurde es natürlich begrüßt, dass die Nazis den linken Umtrieben der Weimarer Zeit ein Ende setzen und Kommunist:innen wie auch Sozialdemokrat:innen in den ersten Konzentrationslagern landeten. Noch Jahrzehnte später schwärmte Herbert Quandt von Hitlers Tatkraft im Kampf gegen den Kommunismus.
Die Quandts wurden zur tragenden Säule des Nationalsozialismus und zu dessen Nutznießer. Nicht nur Aufrüstung und Krieg bescherten ihnen gewaltige Profite, sondern auch der Einsatz von Zwangsarbeiter:innen, die ohne Schutzkleidung in den Batteriewerken der Quandts schuften mussten und dabei den giftigen Gasen der Schwermetalle Blei und Cadmium ausgesetzt waren, was zu vielen Todesfällen führte. Internen Berechnungen von Günther Quandt zufolge kam es im firmeneigenen KZ zu einer »Fluktuation« von 80 Zwangsarbeiter:innen monatlich – also 80 Toten oder Ermordeten.
Weiter so nach 1945
Wie den allermeisten Kapitalist:innen, die erheblich vom Dritten Reich profitierten (etwa den Reimanns aus Teil I dieser Serie), gelang auch den Quandts das Kunststück, sich nach dem Krieg als Opfer darzustellen und ihr Vermögen in die BRD zu retten. Auch in der BRD wurde in der Zeit danach weiter am Krieg verdient, etwa an dem Korea-Krieg der USA.
Nach dem Tod des Patriarchen übernahmen seine Söhne das Geschäft. Der jüngere von ihnen, Harald Quandt, war bei Joseph Goebbels aufgewachsen, den seine Mutter nach der Scheidung von Günther Quandt geehelicht hatte. Gemeinsam mit seinem Bruder Herbert gelang es ihm, die angeschlagenen Bayerischen Motoren Werke (BMW), bei denen sie eingestiegen waren, zu sanieren und zu einem Weltkonzern aufzubauen.
Heute produziert BMW nicht nur in Deutschland, den USA und UK, sondern auch in China, Südafrika, Mexiko, Brasilien, Russland, Ägypten, Indien, Thailand, Malaysia und Indonesien.
Während in Deutschland gewerkschaftlich ausgehandelte Tarifverträge ein relativ hohes Lohnniveau sichern, sieht es in Teilen der globalen Wertschöpfungskette ganz anders aus. Zulieferer in der kapitalistischen Peripherie zahlen ihren Beschäftigten oft nicht mehr als einen US-Dollar die Stunde.
Noch wesentlich schlechter sieht es in der Rohstoffgewinnung für die teuren Luxuskarossen aus. Die Arbeitsbedingungen etwa beim Kobalt-Abbau im Kongo sind berüchtigt, Kinderarbeit ist weit verbreitet. Schätzungen zufolge schürfen allein dort etwa 40 000 Kinder unter brutalsten Bedingungen für einen Dollar am Tag in 12-Stunden-Schichten nach dem Rohstoff, den BMW für seine Elektroautos braucht.
All das braucht die Quandts nicht zu stören, denn wer fragt schon nach Kinderarbeit im Kongo. Und schließlich hat die Familie ganz andere Sorgen, etwa den Absatzeinbruch durch die Coronakrise.
Doch während ihr Konzern für 20 000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld vom Staat kassiert, gönnen sich die Quandts eine ordentliche Dividenden-Ausschüttung.
Und damit die Politik ihnen wohlgesonnen bleibt, zeigt man sich großzügig gegenüber den Parteien. Mit laut Lobbycontrol etwa 10 Millionen Euro seit dem Jahr 2000 gehören die Quandts zu den größten Einzelspender:innen der deutschen Politik. Der größte Anteil der Spendensummen geht dabei traditionell an die Union, doch auch Grüne, SPD und FDP bekommen etwas ab. Einfluss auf die Politik will man sich eben auch heute nicht nehmen lassen