Die Reichen zur Kasse
Steuern sind nicht populär. Kein Wunder: Das Thema scheint trocken und langweilig dazu. Dieser Eindruck ist verständlich – aber falsch. Mehr noch: Die verbreitete Vorstellung, dass Steuerpolitik ein langweiliges Thema sei, ist selbst das Ergebnis einer jahrelangen Strategie. Der Strategie von Lobbygruppen, die mit dem Schweigen über die Verteilung des Reichtums hierzulande nur viel zu gut leben können.
Die Wahrheit ist: Deutschlands Superreiche profitieren seit Jahrzehnten von dem öffentlichen Desinteresse an einer gerechten Steuerpolitik. Das Ergebnis ist so ungerecht wie skandalös. Der Abstand zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Noch nie waren Einkommen und Vermögen so ungleich verteilt. Immer größere Vermögen haben sich in immer weniger Händen konzentriert: Allein die 45 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammengenommen. Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 32 Prozent des Vermögens auf sich, also mehr als ein Drittel. Und die reichsten 10 Prozent besitzen mehr als zwei Drittel des gesamten Vermögens. Das ist mit »Leistung« schon lange nicht mehr zu erklären. Im Gegenteil: Es ist faktisch eine Enteignung der arbeitenden Mehrheit. Nur deswegen erklären die Reichen jedes Reden über ihren Reichtum zu »Neiddebatten«.
Das ist kein Thema neben anderen. Eine Veränderung der Steuerpolitik ist die Bedingung für (fast) alles Weitere. Nicht nur um die Ungleichheit zu bekämpfen, sondern um die Demokratie selbst wieder handlungsfähig zu machen. Ohne das Querschnittsthema der Umverteilung anzugehen, ist in keinem Politikfeld eine fortschrittliche Entwicklung zu machen. Denn dem privaten Reichtum steht eine verarmte öffentliche Infrastruktur gegenüber: Bibliotheken und Schwimmbäder schließen, Personal in den Krankenhäusern wird gekürzt, um notwendige Reparaturen finanzieren zu können. Auch bezahlbare Mieten oder ein effektiver Klimaschutz wird es ohne öffentliche Investitionen in erneuerbare Energien oder die finanzielle Entwaffnung der Konzerne nicht geben.
Aber die gute Nachricht ist: Dass Ungleichheit immer mehr zunimmt, ist kein Naturgesetz. Das ist Ergebnis politischer Entscheidungen – Entscheidungen, die wir ändern können. Das wäre nicht mal besonders radikal. Nur ein Beispiel: Hohe Einkommen werden heute weniger besteuert als noch in den 1990er Jahren unter Kohl. Jahrzehntelang ist in Deutschland eine Vermögensteuer erhoben worden – bis 1997. Die Behauptung der Neoliberalen war: Je weniger Steuern für Vermögen und Konzerne, desto besser für »die Wirtschaft« und am Ende auch für die Mehrheit der Menschen. In der Realität war das Gegenteil der Fall: Auf der einen Seite immer mehr Reichtum bei wenigen Superreichen und auf der Suche nach lukrativen Anlageobjekten. Auf der anderen Seite eine kaputt gesparte öffentliche Infrastruktur und sinkende Löhne für den ganzen Rest.
Wie können wir das ändern? Die Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Es braucht deutlich mehr Steuergerechtigkeit, das heißt eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine effektive Besteuerung von großen Erbenschaften und Digitalkonzernen und eine wirksame Vermögenssteuer. Die Auswirkungen davon sind für jeden Einzelnen leicht zu erklären. Die Einnahmen der Vermögensteuer gehen an die Länder. Sie können damit dringend notwendigen Investitionen finanzieren: Krankenhäuser gut ausstatten, marode Schulen modernisieren und den sozialen Wohnungsbau stärken. Die LINKE Einkommenssteuerreform würde bedeuten: Wer (als Single, Steuerklasse I) weniger als 6.500 Euro im Monat brutto hat, zahlt dann weniger Steuern. Wer mehr hat, gibt mehr ab. Ist doch nicht zu viel verlangt.