#Aufbruch: Barnstorm mit den neuen Vorsitzenden
- Martin Bialluch
Barnstorm bedeutet eigentlich im Wahlkampf durch das Land zu ziehen. Weil es wegen Corona leider nicht möglich ist, quer durchs Land zu tingeln und sich der Parteibasis persönlich vorzustellen, luden die neuen Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler zu einem digitalen Barnstorm ein. Doch auch wenn es Zoom statt der „Scheune“ vor Ort war, lauschten rund 300 Mitglieder den Eingangsworten der Vorsitzenden, stellten Fragen, machten Vorschläge oder äußerten Kritik.
Janine Wissler bedankte sich für die Wahl als Parteivorsitzende und betonte, welche Ehre und Freude dieses Amt sei. Sie freute sich über das große Interesse an der Veranstaltung. Die Herausforderungen für DIE LINKE seien riesig, die Chance in diesem Superwahljahr mit sechs Landtagswahlen, zwei Kommunalwahlen und der Bundestagswahl aber auch. Die Corona-Pandemie verschärfe die soziale Ungleichheit und es dürfe kein Zurück zur Normalität vor Corona geben. Man müsse stattdessen Lehren aus der Krise ziehen: Beschäftigte in systemrelevanten Berufen wie Pflege und Einzelhandel dürften keine Angst vor Altersarmut haben. Krankenhäuser seien dafür da, Menschen gesund zu machen und nicht gewinne für Aktionäre zu erwirtschaften. DIE LINKE fordere eine Vermögensabgabe, weil wenige reicher, aber sehr viele ärmer geworden sind. Deswegen brauchen wir endlich Umverteilung. Gleichzeitig verschärfe sich die Klimakrise, als antikapitalistische Partei müssen wir uns an die Seite von Fridays for Future stellen, die „System Change not Climate Change“ fordern und deutlich zu machen, dass wir ohne eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse, ohne eine Entmachtung der Konzerne keine Energie- und Verkehrswende durchsetzen können werden. In dieser Zeit brauche es eine starke Linke an der Seite von Gewerkschaften und Bewegungen.
Susanne Hennig-Wellsow meldete sich aus dem Kinderzimmer, was ein gutes Signal an die nächste Generation sei. DIE LINKE brauche viel Kraft und Mut dieses Jahr, die Bundestagswahl sei nur noch sieben Monate hin, sagte sie und bekräftigte die inhaltliche Übereinstimmung und Einigkeit mit Janine. Nur DIE LINKE stehe in diesem Land für soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt, demokratische Prozesse und eine klare Haltung gegen Nazis. Beim Antrittsbesuch der Vorsitzenden in der Bundestagsfraktion sei deutlich geworden, dass einer guten Zusammenarbeit nichts im Wege stehe. Wir wollen eine gesellschaftliche Veränderung, was Umverteilung und Eingriffe in Eigentums- und Produktionsverhältnisse bedeutet. Das lässt sich vielleicht nicht bis zur Bundestagswahl umsetzen, aber DIE LINKE ist die Garantin dafür, dass es den Menschen in diesem Land besser gehen kann. Wenn wir unsere Möglichkeiten anschauen: Kriegseinsätze verhindern, Hartz IV erhöhen, Sanktionen und Vermögensprüfung abschaffen, eine Bürgerversicherung für alle und eine einheitliche Bildung, dann haben wir schon viel auf der Tagesordnung, wofür es sich zu streiten lohnt. Diese Zeit hat linke Antworten verdient und braucht linke Antworten. Bevor es dann mit den Beiträgen der Mitglieder richtig losging, schloss Susanne ihren Beitrag mit dem Wunsch, eine solche Veranstaltung zu wiederholen.
Die zahlreichen Wortmeldungen von Parteimitgliedern aus verschiedenen Ecken des Landes zeigten, dass die Kommunikation bei dieser Veranstaltung wahrlich keine Einbahnstraße war. Die neuen Vorsitzenden erfuhren viel über die Stimmung an der Basis in Zeiten von Corona, was die Menschen bewegt, die vor Ort Politik machen und welche Probleme ihnen auf den Nägeln brennen. Neben den Glückwünschen an die neuen Vorsitzenden wurden zahlreiche Anliegen, Wünsche und Verbesserungsvorschläge geäußert. „Wir sind nicht Stadt, wir sind nicht Land, wir sind Vorstadt“, sagte eine Genossin aus dem Kölner Speckgürtel, die unterschiedlichen Verhältnisse vor Ort müssten berücksichtigt werden. Wie stellt ihr euch die Unterstützung für den ländlichen Raum, insbesondere den Ausbau des Nah- & Fernverkehrs vor? Und soll der Mindestlohn auch in Behindertenwerkstätten, fragte ein Genosse, der Werkstattrat in einer solchen Werkstatt ist. Ein anderer Genosse sah DIE LINKE auf dem Weg zur Stadtpartei, die den Kampf gegen die AfD im ländlich Raum zu verlieren drohe.
Ein Sprecher der linken Unternehmer sagte, dass Handwerker, (Solo-)Selbstständige, Freiberufler und Künstler in der Pandemie am stärksten betroffen sind, forderte mehr Erwähnung im Wahlprogramm und kritisierte die hohen Krankenkassenkosten. Eine Genossin vermisste die Verbindung von Umwelt, Klima und Frieden und wünschte, dass die Partei diesen Dreiklang verstärkt in die friedenspolitische Arbeit einbringen würde. Eine linke Kommunalpolitikerin meinte, dass die Themen Umwelt, Klima und Frieden in den Kommunalvertretungen realisiert werden müssten und fragte die Vorsitzenden nach ihrer Meinung zu einer Verkürzung der Sommerferien. Dass die Europäische LINKE (EL) zu wenig wahrgenommen werde, fanden Mitglieder und Vorsitzende. Der weitere Entstehungsweg des Wahlprogramms, Gregor Gysi als Kanzlerkandidat und das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) und der Mitgliederentscheid darüber waren weitere Themen der Gesprächsrunde.
Das Interesse an diesem gemeinsamen Austausch war von allen Seite groß, wie der Blick auf die Uhr zeigte. Auch nach der ursprünglich geplanten Stunde ebbten die Wortmeldungen nicht ab und Susanne beschloss, ihren Zug, ohne sie nach Thüringen fahren zu lassen. Ein gelungener Abend - zum Wiederholen empfohlen.