Miosga Sendung: Söder hat Unrecht
Dem Bürgergeld scheint der gleiche Fluch auferlegt zu sein, wie Hartz IV. Konservative und rechte Parteien wetteifern darüber, wie das Bürgergeld in die Populismusschiene am wirkungsvollsten hineingepresst werden kann. Dafür sind sie sich auch seit Jahren nicht zu schade, die Bevölkerung mit falschen Informationen zu füttern. So geschehen in der letzten Sendung bei „Miosga“. Hier lag diese Aufgabe bei Markus Söder (CSU). So stellte er die steile These auf, dass „beim Bürgergeld, jemand mit zwei Kindern am Ende mehr durchschnittlich brutto bekommt, als ein Bürokaufmann, Busfahrer, Arzthelferin beispielsweise oder Bäcker …“, ‚dass Menschen, die nicht arbeiten, eben am Ende fast genauso viel bekommen oder zum Teil mehr als Leute, die arbeiten‘. Diese Argumentation ist so alt wie Hartz IV. Es macht sie jedoch nicht korrekter. Leider widerspricht ihm niemand, sodass die Aussagen im Raum stehen bleiben. Selbst der Sozialdemokrat Lars Klingbeil (SPD) bleibt stumm. Dabei ist es ganz einfach.
Wer arbeitet, hat immer mehr Geld als Bürgergeldberechtigte
Wer beim Bürgergeld dazuverdient, erhält zwar hier Abzüge, jedoch bleibt am Ende immer mehr übrig, als der reine Bürgergeldbezug. Dass Söder mit „brutto“ argumentiert, ist clever. Das muss man ihm zugestehen. Brutto beim Bürgergeld bedeutet, dass die geringen Krankenkassenbeiträge von rund 120 Euro monatlich im Hintergrund mitberechnet werden. Diese werden komplett durch die Jobcenter abgeführt. Bürgergeldberechtigte erhalten ihre Sozialleistung netto. Söder erwähnt in seiner Argumentation zwei Kinder. Clever wie er ist, unterschlägt er das Alter der Kinder. Das hat jedoch Auswirkung auf die Bürgergeldhöhe. Je älter die Kinder, umso höher das Bürgergeld für die Kinder. Der Regelbedarf für die gesamte Familie, ohne Miete, kann sich von 1.726 Euro bis auf 1.954 Euro belaufen. Die Miete wird im angemessenen Rahmen übernommen, was sich regional zwischen Land und Stadt sehr stark unterscheidet. Die Bundesagentur für Arbeit bezifferte im Juni die Bruttomiete bei einer Familie mit Kindern auf durchschnittlich 892 Euro. Das klingt nach viel Geld. Allerdings hat Söder ignoriert, dass das Kindergeld in Höhe von jeweils 250 Euro pro Kind auf das Bürgergeld wieder angerechnet wird. Somit reduzieren sich die rund 1.700 Euro bis 1.950 Euro auf 1.200 Euro bis 1.450 Euro. Ebenso wurde nicht erwähnt, dass Arbeitnehmer:innen, gerade wenn sie im Niedriglohnsektor arbeiten oder in der Familie nur ein Elternteil arbeitet, in der Regel ein Anspruch auf Wohngeld und Kinderzuschlag besteht. Das gibt es beim Bürgergeld nicht. Somit erhöht sich der eigene Verdienst um diese Summen.
Rhetorischer Missbrauch im Wahlkampfmodus
Söder missbraucht rhetorisch das Bürgergeld sowie den Verdienst in einer Tätigkeit. Das ist reiner Populismus und hetzt gegen die Bürgergeldberechtigten. Sein Resümee lautet daher, dass das Bürgergeld zu hoch ist und zukünftig niedriger ausfallen muss. Eine Höhe nannte er nicht. Ebenso schlägt er vor, „andere Sanktionsmechanismen“ einzuführen. Sozialleistungsberechtigte waren und sind für die CDU/CSU schon immer ein Dorn im Auge. So vertreten Sie auch die fest zementierte Meinung, dass „das Bürgergeld im Zweifelsfall einen Anreiz gibt, nicht zu arbeiten“. Auch diese Aussage, die sogenannte soziale Hängematte, ist nicht neu. Die Ampel-Koalition hat fertig. Somit fallen vermutlich erstmal die geplanten Verschärfungen im Bürgergeld, insbesondere die Sanktionsverschärfungen, unter den Tisch. Diese werden aber mit Sicherheit kommen. Egal, ob weiterhin die SPD mitregiert oder wir eine neue Regierung, unter der CDU bekommen. Der Gesetzentwurf der ehemaligen Ampel-Koalition liegt abgesprochen in der Schublade. Es wird sich dann vermutlich nur um drei Monate verzögern. Das Tragische an der Miosga-Sendung war jedoch, dass Söder, ohne Widerworte, seine falschen Informationen herausposaunen konnte. Das war eine ganz große Schwachstelle vonseiten Klingbeils und der Moderation. Nun ist es ja nicht neu, dass jemand, der arbeitet, immer mehr Geld auf dem Konto hat, als Bürgergeldberechtigte. Die Hetze von Erwerbslosen gegen Arbeitende findet so im öffentlichen Fernsehen ihre Berechtigung und Anerkennung. Niemand kann erwarten, dass sich alle Zuschauer:innen in den komplizierten Bürgergeldberechnungen auskennen. Dafür ist dieses Thema zu komplex. Auf diese Art und Weise konnte Söder einen weiteren Keil zwischen Sozialleistungen und Arbeit auslegen. Das ist schändlich und für die Bürgergeldberechtigen fatal. Aber ja, wir sind ja schon im beginnenden Wahlkampf, der so auf niedrigstem Niveau stattfindet. Menschlich und faktenbasiert.