Kein Zurück in die alte Normalität
Das Besondere an der aktuellen Corona-Krise ist, dass sie uns mehr als andere Krisen völlig unterschiedlich trifft. Für die einen war die Zeit des Lockdowns eine Zeit der krassen Entschleunigung, eine Zeit zum Auftanken. Für andere mündeten die Maßnahmen der Kontaktbeschränkungen in ein Gefühl des Eingesperrtseins, der Langeweile und in der Isolation. Nicht wenige trieb die Corona-Pandemie in die Angst um die Gesundheit oder um den Arbeitsplatz. Wiederum andere erlebten die letzten Monate als die stressigsten ihres Lebens. Ob in den Krankenhäusern in Corona-Hotspots, im Einzel- oder Versandhandel oder beim unmöglichen Versuch, das Home Office mit der Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen. Dass wir jedoch alle so verschieden in der Krise stecken, hat vor allem damit zu tun, dass unsere Ausgangslagen so unterschiedlich sind. Das sagt erstmal weniger über die Krise, als viel mehr über grundsätzliche Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft aus. Eine Ungerechtigkeit, die in der Corona-Krise besonders deutlich wurde, war die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Denn es waren vor allem Frauen, die die Last der Pandemie auf ihren Schultern trugen und dafür sorgten, dass der Laden am Laufen gehalten wurde, selbst als alles andere stillstand. Das ist ungerecht – aber vor allem ist es leider gar nichts Neues.
Kinder sind meistens Frauensache
Zwar haben Krankenpflegerinnen und Kassiererinnen wohl noch nie so viel gesellschaftliche Anerkennung erhalten wie in den letzten Wochen, doch wo war eigentlich der Dank in den vergangenen Jahren als Krankenpflegerinnen auch schon jeden Tag ihr Bestes gaben? Stattdessen kürzten die politischen Entscheidungsträger munter im Gesundheitswesen und verwandelten unsere Krankenhäuser durch die Einführung von Fallpauschalen immer mehr in Fabriken. Gleichzeitig wurden die Feuilletons aller großen Zeitungen mit Berichten über die ungerechte Verteilung der Kinderbetreuung zwischen den Geschlechtern geflutet. Diese übernahmen durch die Schließung von KiTas und Schulen wieder mehrheitlich die Mütter. Überraschung? Wohl kaum. Auch vor Corona war die sogenannte Care Work (deutsch: Sorgearbeit) sehr ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt.
Die Arbeitsteilung neu verhandeln
Für viele Frauen ist der Alltag bereits die Krise – sie wurde durch die Corona-Pandemie nur verschärft. Doch das muss nicht so bleiben. Dass die wertvolle Arbeit, die bisher mehrheitlich von Frauen geleistet wird, endlich mal eine Zeitlang im Mittelpunkt stand, kann auch ein Fenster für Neuverhandlungen öffnen. Wenn es jetzt darum geht, wie wir die Zukunft nach Corona gestalten, stellt sich gleichzeitig die Frage, ob wir damit ein Zurück in die „alte Normalität“ meinen. Oder ob wir die Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern endlich neu verhandeln. Das ist in erster Linie keine individuelle, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe und muss von politischen Entscheidungen wie gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, mehr Elternzeit für Väter, Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich und weiteren Weichenstellung flankiert werden. Wie heißt es so schön: in jeder Krise steckt auch eine Chance.