Erdoğan will HDP verbieten
Der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in der Türkei droht das Verbot. Seit Jahren wird sie von der Erdoğan-Regierung verfolgt und unter Druck gesetzt. Seit 2016 sitzen die ehemaligen Co-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş im Gefängnis und mit ihnen Tausende weitere. In 48 von 65 Kommunen, in denen die HDP die Kommunalwahlen gewonnen hatte, wurden gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister abgesetzt und durch Statthalter der AKP-Regierung ersetzt. Diese hatten nichts Eiligeres zu tun, als viele der fortschrittlichen Projekte einzustampfen, die unter der HDP ins Leben gerufen worden waren, wie zum Beispiel Frauenzentren, Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt oder Unterstützung syrischer Geflüchteter vor Ort. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in mehreren Verfahren festgestellt, dass betroffene Journalist:innen und Oppositionspolitiker:innen zu Unrecht in der Türkei inhaftiert sind. Auch für Demirtaş hatte er erneut im Dezember die sofortige Freilassung angeordnet. Die türkische Regierung hat die Urteile ignoriert.
Neue Verhaftungswelle
Doch war es der Regierung nicht gelungen, trotz der Repression und den Hasstiraden von Regierungsvertretern, die HDP zu schwächen. Vor Kurzem kam es zu erneuten Verhaftungswellen. Von mehreren Abgeordneten der HDP wurde die Immunität aufgehoben und dem HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioglu sogar das Mandat entzogen. Ihm wird zur Last gelegt, dass er 2016 in einem Tweet in dem er zu einer friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts aufgerufen hatte. Direkt im Anschluss wurde ein Verbotsverfahren gegen die HDP eingeleitet, das beinhaltet, dass die Partei aufgelöst wird, Parteigelder beschlagnahmt werden und führende Politiker:innen der HDP für mehrere Jahre mit einem Politikverbot belegt werden. Damit soll die letzte nicht-nationalistische Opposition im Parlament aus der politischen Landschaft getilgt werden.
Die Bundesregierung zeigt sich "besorgt" und tut nichts
Die Bundesregierung reagiert auf die jüngste Entwicklung mit "großer Besorgnis". Das tut sie seit Jahren zu gegebenen Anlässen immer wieder, und dennoch wurde der EU-Flüchtlingsdeal geschlossen, wurden die wirtschaftlichen Beziehungen gepflegt und ausgebaut, wurden weiter mit der Türkei als NATO-Partner Gespräche geführt, wurden weiter Rüstungsgüter geliefert. Trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei und der Besetzung von Teilen Syriens, trotz des Mitmischens im Libyenkieg erhielt die Türkei 2019 aus Deutschland Kriegswaffen für mehr als 344 Millionen Euro. Trotz der seit Jahren desaströsen Menschenrechtslage, und der Nichtanerkennung der EGMR-Urteile ist die Türkei Nutznießer der Beziehungen zur EU, erhält finanzielle Hilfen und profitiert von der Zollunion. Trotz der katastrophalen Lage für Geflüchtete in Lagern in Griechenland und in der Türkei soll an dem EU-Flüchtlingsdeal festgehalten werden.
Absurde Argumente gegen die HDP
Vor diesem Hintergrund liest sich die "große Besorgnis" wie reine Heuchelei. Besonders zynisch ist, dass das Auswärtige Amt in seiner Erklärung darauf verwies, dass die HDP sich klar von der PKK abgrenzen müsse, weil diese in Deutschland als Terrororganisation gelistet ist. Damit bedient sie dasselbe Argumentationsmuster wie Erdoğan, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Terrorismus-Argument um sich wirft. So hatte 2016 eine Initiative von Akademiker:innen sich für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts ausgesprochen. Daraufhin wurden etliche der Wissenschaftler entlassen, Studierende verloren ihren Job oder ihre Doktorandenstelle unter dem Vorwurf, mit dem Friedensappell terroristische Aktivitäten unterstützt zu haben.
Der Journalist Deniz Yücel war ein Jahr lang in Haft, wegen angeblicher "Terrorpropaganda", weil er einen Anführer der PKK interviewt hatte. Die HDP hat immer wieder betont, dass die Kurdenfrage nicht mit Gewalt, sondern nur mit friedlichen demokratischen Mitteln gelöst werden kann. Sie hat sich immer wieder für diesen friedlichen Weg stark gemacht, während Erdoğan die Türkei in den Krieg geführt hat und die Demokratie abgebaut hat. Anstatt den Staatsterrorismus gegen Oppositionelle in der Türkei eindeutig zu verurteilen, wird denjenigen, die davon betroffen sind, Nähe zum Terrorismus vorgeworfen. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten.
Darum: klare Kante gegen Erdoğan! Sofortiger Stopp aller Waffenexporte in die Türkei! Sofortiger Stopp der Finanzhilfen an die Türkei! Keine neuen Verhandlungen über den schäbigen EU-Türkei-Deal! Solidarität mit der HDP!