Leichter Aufwind für Österreichs Linke
- Waltraud Fritz
In letzter Zeit kommen von der Linken in Österreich Lebenszeichen. Wenn auch (noch) nicht auf nationaler Ebene, so doch aus ganz unterschiedlichen Ecken der Alpenrepublik. Die Erfolge der KPÖ beschränken sich längst nicht mehr auf die Steiermark, wo die Partei bei den Wahlen in Graz 2017 zum wiederholten Male über 20 Prozent erreichte und die Mandate im steirischen Landesparlament im Herbst 2019 ausbauen konnte. Hinzu kommen erfolgreiche Bündniskandidaturen in Innsbruck (2018), Salzburg (2019) und nun auch Wien hinzu (11.Oktober 2020). In der oberösterreichischen Hauptstadt Linz konnte die KPÖ schon vor 10 Jahren ein Mandat erringen.
Dabei ging es mit der KPÖ lange Zeit im Wesentlichen nur in eine Richtung - bergab. Dafür gab es viele Gründe, nicht alle waren hausgemacht. Die geographische Lage direkt an der Grenze, die Europa teilte, die funktionierende Sozialpartnerschaft, erfunden als eine Art Koexistenz zwischen den Klassen. Und nicht zuletzt die relativ größte Sozialdemokratie der Welt, die bei aller berechtigter Kritik nicht alles falsch machte. Dazu kam die bedingungslose Akzeptanz und Verteidigung der Politik der Sowjetunion und ihrer Verbündeten, gipfelnd in der Unterstützung des Einmarsches in der Tschechoslowakei 1968. Dieser Prozess des Niedergangs war begleitet von Parteikrisen und Spaltungen, die auch durch den Zerfall des staatssozialistischen Systems nicht gleich beendet werden konnten. Und trotz einer grundsätzlichen politisch-ideologischen Erneuerung, wurde der Schritt hin zu einer Namensänderung nicht geschafft. Zu groß waren die Ängste vor Identitätsverlust und dem völligen Verschwinden einer organisierten Linken aus der österreichischen Parteienlandschaft.
Tragfähige Bündnisse brauchen Zeit
Und auch das Entwickeln von tragfähigen Bündnissen erfordert seine Zeit, gemeinsame Wahlkampferfahrungen führen nicht immer zusammen und eine linke Sammelbewegung mag rund um eine große Partei leichter zu bewerkstelligen sein, eine kleine kommunistische Partei hingegen kann von linken Kräften des 21. Jahrhunderts nicht nur leicht ignoriert werden, sondern durchaus auch als Ballast verstanden werden. Moderne linke Politik speist sich aus unterschiedlichen Zugängen, viele von ihnen widersprüchlich, davon wissen alle Linken in Europa ein Lied zu singen.
Mit der erst Anfang 2020 gegründeten Partei LINKS trat ein neuer potentieller Akteur auf, mit der klaren Absicht, bei den Wiener Wahlen anzutreten – gerne mit der KPÖ, aber nicht unter allen Bedingungen! So ging es wieder einmal um den Namen auf dem Stimmzettel – Stichwort „K“. LINKS-Wien ist eine sehr junge, aber durchaus professionelle Gruppe. Ihre Zusammensetzung spiegelt die Bewohner*innen Wiens wider. Erstmals sind Menschen mit Migrationshintergrund politisch aktiv und nicht nur da und dort Aushängeschild. Viele Aktivistinnen hatten zwar vorher in diversen Zusammenhängen Erfahrungen gesammelt, die wenigstens jedoch ein einer politischen Organisation. Kulturell gab und gibt es zwischen den KPÖ-Mitgliedern und denen von LINKS natürlich viele Unterschiede, um nicht zu sagen Reibungsflächen, die nichts mit Herkunft zu tun haben. Viel jedoch mit politischer Sozialisation und vielleicht auch mit Altersunterschieden, kaum jedoch in politisch- programmatischen Fragen. Eine (zu) lange Zeit mit zähen Verhandlungen, der Kampf um die Aufbringung von 3000 Unterschriften, die persönlich vor der Bezirksbehörde geleistet werden mussten und ein harter Wahlkampf. Das alles ohne Geld und unter Corona.
Wahlkampf unter schwierigen Bedingungen
Trotz der widrigen Bedingungen hat sich das ausgezahlt: Anstelle von bisher 5 gewählten Bezirksräten werden es bei LINKS 23 sein. LINKS ist besonders stark in den innerstädtischen Bezirken, in denen auch die Grünen stark sind und Menschen mit mittlerem Einkommen und höherer Bildung leben. Eine zunehmende Stärke ist darüber hinaus auch in den Arbeitergebieten zu beobachten, die durch den Zuzug von Studenten und Künstlern langsam gentrifiziert werden. Die besten Ergebnisse erzielte Links jedoch im 15. Wiener Bezirk - fast 6 Prozent und 3 Sitze. Der 15. ist Österreichs Bezirk mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen, ein Arbeiterbezirk mit einem der höchsten Anteile an EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund, in dem der Wiener Vorsitzende der KPÖ seit 2015 Mitglied im Bezirksparlament ist. Allerdings reichte es nicht für den Einzug in den Wiener Gemeinderat und damit in den Wiener Landtag. Denn auf die gesamte Stadt gerechnet, kam das neue Bündnis nur auf knapp zwei Prozent und bleibt somit unter der Fünf-Prozent-Hürde.
Interessant ist auch, dass die Linke unter den Jungwählern insgesamt schätzungsweise 4,3 Prozent erreichte. Und ein weiteres Detail ist interessant: Bei den gesondert ausgewerteten Stimmen der EU-Staatsbürgerinnen, die ja für die Bezirksvertretung wahlberechtigt sind, erreichte LINKS 7 Prozent. Die Deutschen stellen in diesem Wähler*innensegment übrigens die überwältigende Mehrheit. Auch das eine Form von internationaler Zusammenarbeit!