Debatte

Warum “der Flüchtling“ der Armutsrentnerin nichts wegnimmt

Sie ist nicht arm, weil der Flüchtling hier ist

Es ist für viele nichts Neues, wenn ich schreibe, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Diesen Satz hört man eigentlich beinahe täglich. Sowohl die Kinderarmut, als auch die Altersarmut in unserem Land sind brutale Realität. Jede(r) zweite(r) Rentner*in bezieht in Deutschland eine monatliche Rente von weniger als 900€. Die durchschnittliche Altersrente für Frauen beträgt 786 Euro, wobei viele Frauen und Männer nicht einmal auf diese Rentenhöhe kommen. Mehr als eine halbe Million Rentner*innen sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. An einen würdevollen und verdienten Lebensabend ist nicht zu denken. Vor allem Frauen sind besonders betroffen, sind sie es doch in der Regel, die im Niedriglohnsektor und/oder in Teilzeit gearbeitet, Kinder großgezogen und Angehörige gepflegt haben. 20,8 Millionen Rentner*innen leben in Deutschland. Jeder Fünfte ist von Armut und somit von sozialer Ausgrenzung bedroht. Und auch die durchschnittlichen Neurenten sinken weiter. Das bedeutet, dass sich das Problem Altersarmut in Zukunft weiter verschärfen wird!

Die teuersten Flüchtlinge sind die Steuerflüchtlinge

Wer nun meint, dass man den betroffenen Rentnern und Rentnerinnen nicht erklären kann, wie man hohe Summen für Migranten und Migrantinnen ausgeben kann, während sie ihren kärglichen Lebensabend fristen müssen, der sollte vielleicht mal ein Blick auf andere Zahlen werfen. Die Kosten, die der Bund zur Versorgung und Förderung anerkannter Flüchtlinge im Hartz IV -System aufbringt ( 400.000 Haushalte in den 1 Millionen Erwachsene und Kinder leben), belaufen sich auf etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr. Weitere 3 Milliarden Euro werden unmittelbare Integrationsleistungen des Bundes veranschlagt. Hinzu kommen noch Hilfen für die Länder in Höhe von 6 Milliarden Euro. Die Länder steuern knapp 5 Milliarden Euro bei. Die Ausgaben sind aber stark rückläufig. Für die Zukunft sind z.B. Kostenpauschalen geplant. Demnach würde jedes Land für jeden Flüchtling einen Betrag von 16.000 € bekommen, der auf 5 Jahre gestreckt werden soll.

Und werfen wir nun mal einen Blick auf die Steuerflucht. Deutschland verliert alljährlich schätzungsweise 100 -125 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung und liegt damit EU-weit auf Platz 2 gleich nach dem Spitzenreiter Italien (190 Milliarden). Steuerhinterzieher werden nur milde bis gar nicht belangt, wenn sie Steuerpflicht mit einer Nachzahlung „abgelten“. Ladendiebstahl wird da schon anders geahndet.

100 bis 125 Milliarden Euro im Jahr: Das macht 1.250 Euro pro Bürger. Übrigens bietet kein anderes Land so viele Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung wie Deutschland! EU-weit sprechen wir von 825 bis 1.000 Milliarden Euro pro Jahr! Das muss man sich wahrlich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist ungefähr das Fünffache des jährlichen EU-Haushalts. 60 Milliarden gehen auf das Konto von Konzernen, die ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. 46 Milliarden Euro pro Jahr sind auf Mehrwertsteuerbetrug durch Konzerne zurückzuführen.

Wie erkläre ich es der Armutsrentnerin?

Kann man die Kosten für Flüchtlinge einem / einer armen Rentner / Rentnerin erklären? Nun ich denke, jeder der behauptet, das sei nicht möglich, muss entweder unsere Rentner und Rentnerinnen für blöde halten, oder hat es gar nicht erst versucht! Denn warum wird immer und immer wieder bevorzugt die Mär vom Flüchtling erzählt, der so viel kostet, aber nie die horrenden Summen, die uns allen durch Steuerflucht verloren gehen? Den Rentner*innen, den Kindern, Familien, den Kranken, einfach uns allen.

Vielleicht sollte man sich mal die Mühe machen, den finanziell Schwächsten in unserer Gesellschaft diese Zahlen zu nennen, statt Vorurteile zu schüren. Grundlegend gilt es zu begreifen: Dieses kapitalistische System beutet uns alle aus! Während die Gutbetuchten selbst jetzt in der Krise den Reibach machen, werden so viele andere, die sich schon zuvor abstrampelten, endgültig abgehängt. Viele Existenzen stehen vor dem Aus. Und wieder sind es die Wohlhabenden, die ihre Schäfchen ins Trockene bringen, während wir alle zusehen können, wo wir bleiben. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PWC stieg das Nettovermögen der ultrareichen Deutschen bis Ende Juli auf mehr als 594 Milliarden Dollar. Im März 2019 waren es noch knapp 500 Milliarden Dollar.

Während wir uns um die Zukunft unserer Familien sorgen und Viele zunehmend von Perspektivlosigkeit ergriffen werden. Hoffnungslosigkeit macht sich unter den Menschen in Deutschland breit. Und gewisse Kräfte bieten einfache Lösungen an, wie eben das Märchen vom uns ewig schröpfenden Flüchtling. Es gibt Dinge, die können wir nicht aufwiegen. Zum Beispiel Menschenrechte. Wir leben in einer Gesellschaft, in der eben nicht berechnet wird, ob es sich denn noch lohnt, Alte, Kranke und Schwache weiterhin „durchzufüttern“ und gesundheitlich zu versorgen.

Unsere Aufgabe als LINKE

Denn würden wir die Denke, dass Hilfsbedürftige uns etwas wegnehmen, weiterspinnen, kämen wir schnell an den Punkt, an dem „der Flüchtling“ gedanklich ausgetauscht werden könnte durch „der Kranke“, der „Behinderte“oder der „Alte“. Wer wird in Zukunft bestimmen, für welche Menschen(rechte) und eben auch Werte, Geld ausgegeben werden darf? Wo führt uns das hin? Kommt uns das bekannt vor? So werden Ideologien geboren!

Man kann die Ärmsten nicht verurteilen, wenn sie in ihrer Verzweiflung, Not und Perspektivlosigkeit den „Rattenfängern“ der Republik in die Arme laufen, doch sollte es eben unsere Aufgabe als LINKE sein, für eben jene Menschen da zu sein und ihnen, wenn es um die Fragen geht, „warum bekommen die so viel und ich so wenig“, oder „warum bekommen die überhaupt etwas, während ich mein Leben lang hart geschuftet habe?“ andere Perspektiven zu eröffnen, und vor allem unentwegt auf eben jene zu zeigen, die unsere ganze Gesellschaft um Milliarden betrügen! Das Kind immer und immer wieder beim Namen nennen, muss unsere Aufgabe sein, um die Schwächsten zu einen und nicht zu spalten.

Nicht an der Legendenbildung vom „teuren Flüchtling“ mitwirken

Wir müssen immer wieder rufen: Lasst euch nicht hinter ’s Licht führen, von denen, die es sich allzu gemütlich gemacht haben und gerne dabei zusehen, wie die Schwachen „da unten“ sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Denn wer gegeneinander kämpft, wird keine Kraft mehr übrig haben, nach oben zu sehen und sich gegen die wahren Verantwortlichen zu erheben.

LINKE, die die Legendenbildung vom „teuren Flüchtling“ weiterhin betreiben, handeln verantwortungslos und treiben die Leute weiter nach rechts, statt ihnen reinen Wein einzuschenken. Das ist schäbig, erbärmlich und hilft niemandem. Wer glaubt, linkes Denken beinhalte auch das Aufwiegen und nicht zuletzt Aufstacheln Armer gegeneinander, hat offensichtlich zu selten, wenn überhaupt, über den Tellerrand geschaut.

Hier möchte ich auf den internationalen Sozialistenkongress von 1907 verweisen. Dort trafen sich in Stuttgart fast 900 Delegierte von 25 sozialistischen Parteien. Es wurde eine Resolution verabschiedet zum Thema Ein -und Auswanderung. An der Resolution dieses Kongresses arbeiteten Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Wladimir Iljitsch Lenin mit.

Wir sind für alle Armen und Ausgegrenzten da

Es gilt also damals wie heute: solidarisch zusammenzustehen! Wir LINKE müssen uns für alle Armen und Abgehängten einsetzen. Hier kommt uns vor allem die Verantwortung zu, den Blick der Menschen zu schärfen, für die tatsächlichen Ursachen von Armut in unserem Land. Gemeinsam zusammenstehen gegen ein System, dass die Menschen immer weiter in die Perspektivlosigkeit treibt und ausnimmt, wie Weihnachtsgänse. Gegen eine Politik, die immer nur im Interesse der Vermögenden agiert und uns abspeist bei jeder Gelegenheit. Dass uns Chancengleichheit vorgaukelt, die es einfach nicht gibt. Dass uns weismachen will, jeder kann es schaffen, wenn er sich nur genug anstrengt. Ein System, das seine ganz eignen Spielregeln aufgestellt hat, so dass wir immer nur verlieren können! Lasst euch nicht ausspielen, seid kritisch, hinterfragt und richtet euren Blick auf jene, die vom Staat gebauchpinselt werden.

Milliarden für Konzerne, die Mitarbeiter entlassen, Dividende ausschütten und Boni einstreichen, gesponsert von uns allen. Konzerne, die Menschen ausbeuten, moderne Lohnsklaven, Werksverträge, Leiharbeit. Alltag in Deutschland. Die ungerechte Verteilung der Vermögen gefährdet unseren sozialen Frieden und somit auch unsere Demokratie. Es gilt, an der Seite aller Schwachen zu stehen! Lassen wir diese Menschen nicht allein und vor allem: Schenken wir ihnen reinen Wein ein.

Katja Richter aus dem Kreisverband Merzig-Wadern/Saarland, Kommissarische Kreisschriftführerin KV Merzig-Wadern und stellvertretende Vorsitzende DIE LINKE. Düppenweiler.