Linke Alternative auf dem Balkan
Levica (Die Linke) - unter diesem Namen treten in Südosteuropa gleich mehrere Parteien an, etwa in Nordmazedonien, Serbien und Slowenien. Hier konnte Levica, die sich nach einem Zusammenschluss mehrerer linksgrüner Parteien und Initiativen gründete, bei den Wahlen 2018 mehr als einen Achtungserfolg erringen. Offenbar will ein Teil der Bevölkerung eine ökosozialistische Alternative im Parlament. Dem vorausgegangen waren Proteste gegen die rechte Regierung unter Janez Jansa und die politische Elite, der auch offiziell Korruption vorgeworfen wurde.
Slowenien hat sich lange als Erfolgsmodell der postsowjetischen Länder dargestellt, ökologisch und nachhaltig, attraktiv für Touristen, ganz dem neoliberalen Modell verschrieben. Dieses Image wurde im letzten Jahrzehnt von zwei heftigen Krisen erschüttert. Zunächst bedeutete die Verschärfung der Krise des Kapitalismus nach 2007, dass die jeweiligen Mitte-Rechts- bzw. Mitte-Links-Regierungen ohne jegliche demokratische Debatte eine Reihe von Privatisierungskampagnen in die Wege leiteten und so die einträglichsten staatlichen Unternehmen verscherbelten. Zudem litten Arbeitende und der Wohlfahrtsstaat unter immer gravierenderen Sparmaßnahmen. Die Ungleichheit der Klassen und die Anzahl derer, die in Armut leben, wuchsen stetig, während die Jungen und Gebildeten das Land verließen. Die Proteste von 2012 und 2013 können als direkter Ausdruck dieser Unzufriedenheit sowie der schwindenden Unterstützung für die herrschende Klasse angesehen werden.
Wohlfahrt für alle!
Die Wahlen im Juni 2018 erschütterten den Glauben an ein von der „politischen Mitte“ regiertes Slowenien weiter. Die Wähler*innen gaben mehrheitlich der autoritären, rechten Partei SDS (Slowenische Demokratische Partei) ihre Stimme, die zudem starke finanzielle, politische und ideologische Verbindungen zu Ungarns Premier Viktor Orban pflegt. Die SDS ist keine neue Partei, ihr Vorsitzender Janez Jansa hat bereits in der Vergangenheit Regierungen geführt. Der öffentliche Aufschrei bezog sich nicht so sehr auf seine bereits bekannt nationalistische, xenophobe Haltung, sondern primär auf seine offene politische Allianz mit dem autoritären Ungarn.
Levica verbesserte in den Juniwahlen ihr Ergebnis von sechs auf 9,3 Prozent und errang damit neun Sitze im Parlament (+4). Sie lag damit nur ganz knapp hinter den großen Parteien: die Sozialdemokraten bekamen 9,8 Prozent (10 Sitze), und die vormalige Regierungspartei Moderates Zentrum 9,6 Prozent (10 Sitze). Levica ist die einzige Partei im Parlament, die offen die neoliberalen Sparprogramme mit dem Slogan „Wohlfahrt für alle und nicht nur die Wenigen“ kritisiert.
Alternative zum politischen Establishment
Während ihrer ersten Periode im Parlament (noch als Vereinte Linke, ZL) versuchte sie die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen, Palästina als Staat anerkennen zu lassen, einen Mindestlohn von 700 Euro, kostenloses Mittagessen für Kinder armer und Arbeiter*innenfamilien oder die gleichberechtigte Verwaltung von Unternehmen durch die Arbeitenden einzuführen. Dies scheiterte aber am Widerstand der Regierungskoalition und der rechten Kräfte. In den Zeiten der Flüchtlingskrise 2015 und darüber hinaus war Levica die einzige Partei, die offen für Geflüchtete eintrat.
Einige Faktoren beeinflussten das positivere Abschneiden von Levica bei den Wahlen 2018. So trat sie 2014 noch als Zdruzena Levica (ZL, Vereinte Linke) an, eine Koalition von Parteien und sozialen Bewegungen, die von den führenden Medien als unprofessionelle, nostalgische Rückkehr zum „Neosozialismus“ verspottet wurde. ZL wurde als Alternative zum traditionellen politischen Establishment gegründet und diente als politisches Ventil der während der Proteste artikulierten Ideale. Nach einem langwierigen Vereinigungsprozess schlossen sich schließlich zwei der Partner 2017 zu einer Partei zusammen: die Partei für Nachhaltige Entwicklung in Slowenien (TRS) und die Initiative für Demokratischen Sozialismus (IDS). Luka Mesec (ehemals der Koordinator der IDS) wurde zum Koordinatoren von Levica gewählt, Violeta Tomic (ehemals Vorsitzende der TRS) zur stellvertretenden Koordinatorin.
In der Hauptstadt stärkste Kraft
Die Stärke ihrer Wahlkampagne lag in der Arbeit von Aktivist*innen und Parteivertreter*innen, die in den direkten Dialog mit den Bürger*innen traten und gleichzeitig der effektive Gebrauch der sozialen Medien. Levica bekam die meiste Unterstützung in den städtischen Zentren und bei den Jungen. In Ljubljana, der Hauptstadt, wurde sie stärkste Partei. Während die Jugend und die gebildete Mittelschicht für sie stimmte, fehlt ihr noch der Zugang zu jenen, für die sie doch am meisten eintreten will, das Arbeitermilieu und Menschen in sozialen prekären Lagen. Jene Wähler*innen gaben ihre Stimme aber entweder rechtskonservativen Parteien oder gingen erst gar nicht zur Wahl. Obwohl SDS unter Jansa zur stärksten Partei wurde und dieser versuchte, eine stabile Regierung zu bilden, gelang dies nicht, da die anderen Parteien ihre Unterstützung für die rechte Partei verweigerten. Nach langwierigen Koalitionsverhandlungen stimmte Levica zu, die moderate Fünfparteien-Koalition unter der zweitstärksten Partei Liste Marjan Sarec (LMS) mit Marjan Sarec als Ministerpräsident zu tolerieren. Damit kam es zur ersten Minderheitsregierung in der Geschichte des Landes.
Stimme des Protests
Diese währte allerdings nicht lange. Levica entzog die Tolerierung Ende letzten Jahres, da sie mit vielen Gesetzesvorhaben nicht übereinstimmte. Damit fehlte der Regierung die nötige Mehrheit. Sarec warf Anfang 2020 das Handtuch und überließ es seinem rechten Widersacher Jansa, eine neue Übergangsregierung zu bilden. Einige der vormaligen Regierungspartner der LMS willigten ein, Jansa zu unterstützen. Dies geschah unter der Voraussetzung, dass schnellstmöglich Neuwahlen anzusetzen seien. Da dies bisher nicht geschehen ist, haben sowohl LMS als auch Levica die Option eines Misstrauensantrag gegen die Interimsregierung ins Spiel gebracht. Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Levica hat als Vertreterin der öffentlichen Proteste die politische Routine des Landes ordentlich durchgewirbelt. Sie nutzt ihren Einfluss, um auf Umwelt- und Gesundheitsthemen aufmerksam zu machen, neoliberale Projekte der Regierung zu blockieren und die sozial Schwächeren in der Gesellschaft vor den Auswüchsen einer immer stärkeren Sparpolitik zu schützen.
Zu den Europawahlen 2018 war Violeta Tomic gemeinsam mit dem belgischen Gewerkschafter Nico Cué die Spitzenkandidatin der Partei der Europäischen Linken.