Klimapolitik ohne Klassenpolitik funktioniert nicht mehr
Das „Jahrhunderthochwasser“ in Mitteleuropa in dieser Woche hat gezeigt, dass die Klimakrise schon jetzt reale Auswirkungen hat. Jahrhunderthochwasser werden zum Alltag und in Zukunft von Jahrtausendhochwassern übertroffen. Klimaforscher*innen sind sich einig, dass die Naturkatastrophen von heute nur ein klitzekleiner Vorgeschmack auf die Katastrophen in kommenden Jahren sein werden. Der beste Hochwasserschutz ist konsequenter Klimaschutz.
Diesen Freitag ist wieder Klimastreik und ein aktueller Anlass für konsequenten Klimaschutz zu demonstrieren. Vermutlich wird (leider) kaum jemand hingehen und der Klimastreik wenig Beachtung finden. Die Klimabewegung befindet sich nicht erst seit diesem Jahr in der Krise und einen breiten Konsens für Klimaschutz wie in den Jahren nach 2019 gibt es nicht mehr. Zwar ist eine Mehrheit in Deutschland immer noch für konsequenten Klimaschutz.[1] Nur konkrete Maßnahmen erfahren keine Zustimmung. Eine große Mehrheit hat sich letztes Jahr gegen das Heizungsgesetz ausgesprochen,[2] zwei Drittel der Menschen in Deutschland lehnen das Verbrenner-Aus ab.[3] Und eine Mehrheit sieht mittlerweile auch die Klimastreiks von Fridays for Future (eher) negativ.[4]
Es sind insbesondere die Bereiche Verkehr und Wohnen, in denen Klimaschutz den Alltag und das private Leben der Menschen berührt und die Verunsicherung groß ist. Dabei wird von (links-)liberaler Seite oft vernachlässigt, dass die Verunsicherung eine materielle Grundlage hat. Wenn der Bus auf dem Land nur dreimal am Tag fährt und es keine E-Autos unter 30 000 Euro gibt – und schon gar keine Gebrauchtwagen – ist die Sorge der Menschen berechtigt, dass sie ab 2035, wenn das Verbrenner-Aus gilt, nicht mehr von A nach B kommen. Genauso mit dem Heizungsgesetz: Es gibt in Deutschland 18 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser, in denen bei weitem nicht nur die Oberschicht wohnt. Für alle mit niedrigen und mittleren Einkommen, denn schon die hohen Preise für den Wocheneinkauf zu schaffen machen, ist die Pflicht zum Einbau einer Wärmepumpe und die damit einhergehende energetische Sanierung für zehntausende Euro eine unvorstellbare Belastung.
Bei diesen Themen war die Kommunikation der Bundesregierung eine Katastrophe. Aber wer es nur auf die Kommunikation schiebt, hat das Problem im Kern nicht verstanden. Das Problem heißt neoliberale Klimapolitik. Den Menschen wurde über Jahre erzählt, sie seien für den Klimaschutz verantwortlich, – egal ob es fürs Auto oder die Gasheizung bezahlbare Alternativen gibt oder nicht. Das macht es zur Klassenfrage. Wer ein grünes Bewusstsein und Geld hat, kann das eigene Haus als Passivhaus sanieren oder Tesla fahren. Mit dem Heizungsgesetz und dem Verbrenner-Aus gibt es jetzt ordnungsrechtliche Vorgaben. Das Problem ist nur: Alle ohne Geld haben noch immer keine Alternativen und die Ampel-Regierung hat kein Konzept, wie diese Menschen abgesichert werden. Wie auch: Die flächendeckende Sanierung der Einfamilienhäuser oder ein vernünftiger Bahnausbau kosten wahnsinnig viel Geld – wenn höhere Steuern für Millionäre und Milliardäre für die Ampel-Regierung keine Option sind, ist das eben nicht drin.
Die Widersprüche neoliberaler Klimapolitik liegen auf der Hand und die linken Konzepte liegen auf dem Tisch. Damit eine Wärmewende nicht bedeutet, dass nur Menschen aus der Oberschicht ihre Häuser sanieren können, müssen alle mit niedrigen und mittleren Einkommen dabei abgesichert werden.[5] Gleiches gilt für die Verkehrswende: Die Zeit bis 2035 muss genutzt werden, um den öffentlichen Verkehr massiv auszuweiten, denn dann wären nur noch wenige Menschen in den Städten und Vorstädten aufs Auto angewiesen. Und wenn die Industrie verpflichtet wird, kleine und bezahlbare E-Autos zu bauen, können sich die Menschen auf dem Land in zehn Jahren ein E-Auto leisten.[6] Dabei muss natürlich klassenkämpferischer Realismus an den Tag gelegt werden: Eine sozial gerechte Wärmewende heißt, dass die Reichen die Sanierung ihrer Villen selbst bezahlen müssen und es E-Auto Subventionen nicht für E-SUVs und Teslas gibt.
Stattdessen kritisieren CDU, FDP und auch das BSW die Klimapolitik der Bundesregierung – ohne zu benennen, wie Klimaschutz anders aussehen könnte. Bei der Debatte um das Heizungsgesetz haben sich die FDP aus der Regierung und die CDU aus der Opposition gegenseitig mit ihrer Kritik am „Heizungsverbot“ überboten – und Sarah Wagenknecht hat die Gelegenheit genutzt, sich mit Stimmungsmache gegen den „grünen Irrsinn“ für ihr eigenes Parteiprojekt zu profilieren. Genau das gleiche Spiel läuft jetzt beim Verbrenner-Aus ab. Die fossile Allianz vom BSW bis zur FDP stellt das auf EU-Ebene beschlossene Verbrenner-Aus infrage – ohne im Ansatz zu benennen, wie das denn sonst klappen könnte mit dem Klimaschutz. Stattdessen werden unter dem Schlagwort der Technologieoffenheit Scheinlösungen wie Wasserstoffheizungen oder 3-Liter Autos ins Spiel gebracht, die sich gut anhören und ein weiter-so im Alltag versprechen – aber weder energetisch sinnvoll, noch eine tragfähige Lösung für Klimaschutz sind.
Mit der Kündigung der Beschäftigungssicherung hat das VW-Management Standortschließungen in den Raum gestellt. Damit ist die Krise der Automobilindustrie letzte Woche ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Es wiederholt sich das gleiche Spiel: Von CDU, FDP und BSW bis zur AfD heißt es: Die E-Autos sind daran schuld, dass die Beschäftigten ihre Jobs verlieren. Darin liegt eine gewisse Ironie: Der Hochlauf der Elektromobilität bei VW kriselt, weil die Nachfrage nach E-Autos gesunken ist. Das liegt neben dem Wegfall der E-Auto-Prämie letztes Jahr und dem Setzen der Manager*innen auf große teure Autos natürlich auch daran, dass der FDP Verkehrsminister sich kaum eine Gelegenheit entgehen lässt, Zweifel am Verbrenner-Aus zu säen.
Die Krise in der Autoindustrie trifft die Beschäftigten existenziell. Noch drastischer ist es in der Zuliefererdindustrie, dort wurden bereits 50 000 Stellen gestrichen, besonders in Betrieben, die Teile für Verbrenner herstellen. Auch hier hat die Ampel-Regierung kein Konzept, wie die Menschen abgesichert werden und keinen Plan für einen gerechten Umbau.
Die Beschäftigten fragen sich – zu Recht – wo sie denn dann arbeiten sollen, wenn der Job in der Autoindustrie wegbricht. Es ist nur allzu verständlich, dass die Kritik am Verbrenner-Aus in den Belegschaften der Autoindustrie auf offene Ohren stößt. So bröckelt der Konsens für Klimaschutz immer weiter. Gestärkt wird damit die AfD, die gerade in den ostdeutschen Betrieben sehr präsent ist und mit einer Radikal-Kritik am Klimaschutz eine noch einfachere Antwort parat hat als ‚Technologieoffenheit‘ oder E-Fuels. Das Ergebnis: Bei der thüringischen Landtagswahl hat die Hälfte der Arbeiter*innen die AfD gewählt.[7]
Mit der neoliberalen Klimapolitik der Ampel, werden die Menschen den Rechten in die Arme getrieben – die jede Gelegenheit nutzen, um Stimmung gegen Klimapolitik zu machen. Was hilft? Klimapolitik konsequent als Klassenpolitik denken. Für die Autoindustrie heißt das: Sich für einen konsequent sozial gerechten ökologischen Umbau einsetzen:[8] mit Einkommens- und Jobgarantien für die Beschäftigten in den vom industriellen Umbau betroffenen Betrieben. Mit einem Zukunftsplan für nachhaltige Industrie in Deutschland, indem Produktionsziele in öffentlichem Interesse (kleine leichte E-Autos, Straßenbahnen, Züge, E-Busse u.ä.), Investitionen und festgeschrieben werden. Mit einer Vermögensabgabe für Multimillionäre für die Kosten der Transformation.
Es ist ein Kampf an zwei Fronten: Gegen die neoliberale Politik der Ampel-Regierung – ohne dabei Klimaschutz per se infrage zu stellen und die Lügen der fossilen Allianz zu wiederholen. Wenn wir den Klimaschutz nicht aufgeben wollen – was keine Option sein kann – müssen wir mit der neoliberalen Klimapolitik der Ampel brechen und Alternativen formulieren im Sinne einer ökologischen Klassenpolitik: Und weil die Positivbotschaften, dass die sozial-ökologische Transformation das Leben von allen Menschen besser macht, nicht immer glaubwürdig sind, muss mindestens das Versprechen gelten: Niemandem darf es durch den ökologischen Umbau schlechter gehen als vorher und Die Linke ist an der Seite aller, die von der neoliberalen Klimapolitik der Ampel rechts liegen gelassen werden.
[1] https://yougov.de/politics/articles/50554-die-halfte-der-deutschen-sorgt-sich-derzeit-um-auswirkungen-des-klimawandels
[2] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/mdrfragt-umfrage-ergebnis-heizungsgesetz-habeck-waermepumpe-100.html
[3] https://www.welt.de/wirtschaft/article252623680/Mehrheit-der-Deutschen-laut-Umfrage-gegen-Aus-fuer-den-Verbrennermotor.html
[4]https://yougov.de/politics/articles/50554-die-halfte-der-deutschen-sorgt-sich-derzeit-um-auswirkungen-des-klimawandels
[5] https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/sofortpaket-waerme/
[6] https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/oeffentlicher-nahverkehr-fuer-alle-statt-strassenpanzer-fuer-wenige/
[7] https://www.die-linke.de/fileadmin/user_upload/2024_Thueringen_Wahlnachtbericht_LTW_final_mit_Gewerkschaftsmitgliedern.pdf
[8] https://www.die-linke.de/start/presse/detail/autoindustrie-umbau-starten-jobs-retten/